Journal Mittwoch, 9. April 2025 – Grußbekanntschaft
“Wir kennen uns nur vom Grüßen” – das habe ich schon lang nicht mehr gehört. Doch solche Grußbekanntschaften habe ich, und sie sind mir als solche sehr bewusst. Es handelt sich um Menschen, die zu meinem Leben gehören und ich zu ihrem, von denen ich aber nicht mehr weiß als ihr Äußeres und ihr Auftreten […]

“Wir kennen uns nur vom Grüßen” – das habe ich schon lang nicht mehr gehört. Doch solche Grußbekanntschaften habe ich, und sie sind mir als solche sehr bewusst. Es handelt sich um Menschen, die zu meinem Leben gehören und ich zu ihrem, von denen ich aber nicht mehr weiß als ihr Äußeres und ihr Auftreten mir gegenüber. Erst diese Woche kam eine dazu – genauer: dazu kam der Gruß, der eine Bekanntschaft vom Sehen (“Wir kennen uns nur vom Sehen”) in eine Grußbekanntschaft verwandelte. Dieser erste Gruß transportierte im Grunde die Information, dass das Wahrnehmen der regelmäßigen Begegnung beidseitig war.
Möglich macht diese Grußbekanntschaften mein täglicher Arbeitsweg zu Fuß: Wenn man oft um fast dieselbe Zeit denselben Weg geht, kreuzt sich der halt mit dem von Menschen, die einen ähnlichem Rhythmus haben.
Meine derzeit älteste Grußbekanntschaft ist ein Mann, der mir morgens unweit meiner Wohnung entgegen kommt. Wir begannen schon bald, einander bei Erkennen anzulächeln, irgendwann wurde ein Gruß daraus (von mir “Guten Morgen” von ihm eher “Hallo”). Er ist nicht nur die älteste, sondern zeichnet sich durch eine Besonderheit aus: Wir begegnen einander auch auf dem Heimweg an ähnlicher Stelle, wenn auch deutlich seltener – nach Feierabend variiert mein Weg durch Besorgungen und Erledigungen stark.
Von einer dieser Grußbekanntschaften erfuhr ich sogar mehr: Wir liefen einander nämlich eines Tages an einer völlig andere Straße entgegen. In diesem Fall mit besonders erfreutem Gruß, wir hatten uns schon länger nicht mehr gesehen. Und wie es halt in diesen Sekundenbruchteilen ist mit nonverbalem Informationsaustausch: Wir registrierten beide den besonders erfreuten Gruß der anderen, uns wurde beiden daran bewusst, dass wir einander länger nicht gesehen hatten – und da blieb diese Frau stehen und erzählte, warum (Arbeitsplatzwechsel, anderer Arbeitsweg). Herzlicher Abschiedsgruß.
Eine jahrelange Sehbekanntschaft verweigert sich der Anerkennung des gegenseitigen Wahrnehmens durch Gruß: Unsere Wege kreuzen sich seit ca. zwei Jahren fast jeden Werktagmorgen auf einem Abschnitt von höchstens 200 Metern. Doch sie fängt nie meinen Blick auf, schaut konsequent an mir vorbei. Mittlerweile respektiere ich das und sehe sie ebenfalls nicht mehr an.
Der Neuzugang dieser Woche: Eine Frau mit markantem Styling-Merkmal, die ich seit Jahren alle paar Tage mit Kind sehe – zunächst saß das Kind in einem Fahrradanhänger als fast noch Baby, jetzt müsste es etwa sieben sein. Ich kreuze derzeit fast jeden Morgen an selber Stelle eine Gruppe Mütter, Väter, Kinder, die aufeinander für gemeinsamen Schulweg warten, zu der auch sie gehört – und aus der sie mich seit ein paar Begegnungen grüßt. Mir tut richtig leid, dass ich sehr wahrscheinlich schon bald das weitere Großwerden des Kinds nicht mehr mitbekomme – weil es auf eine entferntere Schule gehen wird.
Falls das nicht indirekt aus meinen Zeilen hervorgegangen ist: Diese Grußbekanntschaften machen mich froh, die beschriebenen sind keineswegs alle. Das Wiedererkennen, das Füllen der zahllosen Lücken, die solch umfassendes Nichtwissen bietet, und die Freude über die offensichtliche Freude, die Begegnung und Gruß dem oder der anderen bereiten.1
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Wirklich gut geschlafen, nur zu früh aufgewacht – umgehend an einen beruflichen Kontakt gedacht, der für einen Termin in München wegen BAUMA in einem Hotel am Ammersee hatte übernachten müssen und morgens sehr früh eine Stunde mit Bus und S-Bahn anfahren musste. (Durch meinen Job bekomme ich zum ersten Mal mit, wie die Baumaschinenmesse BAUMA, die alle drei Jahre in München stattfindet, Hotelpreise in Höhen sogar über der Oktoberfestmarke schiebt.)
Bei Ankunft im Büro erwies sich: Hatte alles geklappt. Wetter weiterhin sonnig, der Morgen frostig kalt.
Den Vormittag verbrachte ich in einer vielköpfigen Präsenz-Besprechung. Mittagscappuccino schnell beim Nachbarn (der Himmel zog langsam zu), dann wuselte ich eine Runde am Schreibtisch.
Zu Mittag gab es zum einen einen Apfel, zum anderen hatte ich mir aus dem Grünkernschrot im Haus (ich mag Grünkern) einen süßen Brei gekocht und mit Joghurt vermischt – gut!
Dann weiter ChopChop. Um drei war ich durch mit Energie, aber noch nicht mit Arbeit, ab da wurde es sehr zäh.
Nach Feierabend steuerte ich eine Besorgung an: Im Forum Schwanthalerhöhe hatte Ende März ein Outlet-Laden des Wäsche-Herstellers Triumph aufgemacht, und beim Vorbeigehen hatte ich gesehen, dass sie auch Bikins anboten – ich wollte nach einem Schwimm-tauglichen suchen.
Monsterchen an der Schießstättstraße.
Genau das tat ich und fand auch einen solchen Bikini, mit den 20 Prozent Eröffnungsrabatt auf den ohnehin reduzierten Outlet-Preis ein Schnäppchen.
Zu Hause holte ich Herrn Kaltmamsell nur ab: Abendessen sollte es auswärts geben. Wir entschieden uns für eine Trattoria an der Schwanthalerstraße (Bahnhofsviertel-Plüsch und Touri-Ausrichtung, also richtig authentisch) und aßen dort Pinsa.
War ok (meine mit Ruccola, Rote-Bete-Würfeln, Räucherlachs, Meerrettich-Frischkäse), die hausgemachte Limonade Passionsfrucht-Zitrone schmeckte besonders gut. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite im Sonnenlicht zu sehen: Das Deutsche Theater.
Daheim Häuslichkeiten, Tagesschau-Bericht über den gestern zwischen CDU/CSU und SPD geschlossenen Koalitionsvertrag (bin schon sehr gespannt auf die professionelle Auswertung meiner Kolleg*innen), Nachtisch Schokolade.
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Durch ein Like unter diesem Foto entdeckt: Den instagram-Kanal Ladiesinproperwhitetie – also Damen im Frack, mit Betonung auf proper. Der Like ehrt mich. Das nächste Mal dann mit Handschuhen, Schal und Zylinder, das Cape für draußen besitze ich ja bereits.
- Ich merke aber, dass ich mich scheue, weitere Details der Begnungen und der Personen zu schildern, weil sie dadurch identifzierbar werden könnten – sie aber alle keinen Vertrag mit vorspeisenplatte.de unterschrieben haben, wie es Joël so treffend ausdrückte.