Die Verwaltung des Bundes ist wie ihre Marken: fragmentiert, halbgar und zunehmend unübersichtlicher

Da der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CDU und SPD so langsam Gestalt annimmt, und die Grundzüge der Vorhaben der zukünftigen Regierung sichtbar werden, scheint der Zeitpunkt für ein Appell passend. Die kommende schwarz-rote Regierung sollte nicht den Fehler der Vorgängerregierungen wiederholen, und Wandel und Transformationsprozess an den Themen Design und Marke vorbei denken.

Apr 1, 2025 - 08:22
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Die Verwaltung des Bundes ist wie ihre Marken: fragmentiert, halbgar und zunehmend unübersichtlicher

Da der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CDU und SPD so langsam Gestalt annimmt, und die Grundzüge der Vorhaben der zukünftigen Regierung sichtbar werden, scheint der Zeitpunkt für ein Appell passend. Die kommende schwarz-rote Regierung sollte nicht den Fehler der Vorgängerregierungen wiederholen, und Wandel und Transformationsprozess an den Themen Design und Marke vorbei denken.

Für Bürokratieabbau, Bürgerfreundlichkeit und Optimierung/Vereinfachung von Verwaltungsprozessen setzen sich nicht nur die drei Parteien ein, die derzeit in Berlin Koalitionsverhandlungen führen. Bürokratieabbau fordern im Grunde alle Parteien, seit Jahrzehnten.

Gleichzeitig wird die Kritik der Überbürokratisierung von Jahr zu Jahr größer und lauter. Durchaus kein spezifisch deutsches Phänomen, wie Werner Jann und Kai Wegrich in ihrer wissenschaftlichen Arbeit „Wie bürokratisch ist Deutschland? Und warum?“ bereits 2008 feststellen. Deutschland gilt gemeinhin als ein übermäßig bürokratisierter Staat. Dass die Beantragung von Bewilligungen und Sozialleistungen, das Auffinden, Ausfüllen und Absenden von Formularen, das Einreichen der Steuererklärung oder auch, um ein Beispiel aus Verwaltungssicht zu nennen, das Aufsetzen von Ausschreibungen umständlich, kompliziert und zeitaufwendig sein kann und auch ist, wissen viele Menschen aus eigener leidvoller Erfahrung. Dementsprechend groß ist der Frust. Jann und Wegrich benennen in ihrem Bericht drei Dimensionen der Bürokratiekritik:

1. Zu viel Staat
2. Zu viel Regulierung
3. Zu viel bürokratische Organisation

Diesen drei Dimensionen möchte ich eine weitere hinzufügen, da sie meines Erachtens eine Ursache für unzureichende Bürgerfreundlichkeit ist und zu einem als überbordend angesehenen Staatsapparat beiträgt:

4. Zu viele Marken

Mit „Marken“ sind in diesem Zusammenhang Entitäten/Einheiten gemeint, die innerhalb der Verwaltung des Bundes bestehen, und die über ihre digitalen Angebote, und mit diesen verbundenen Identitäten, mit Bürgern und anderen Gruppen interagieren. „Marke“ meint also keinesfalls ein visuelles Zeichen (Logo). „Marke“ beschreibt vielmehr ein ganzheitliches Gestaltungs- und Transformationskonzept, ist also weit mehr als Marketing/Werbung. Dies zur Abgrenzung und zum besseren Verständnis (Leseempfehlung: „Macht Marke“).

Ein System, das auf mehreren unterschiedlichen Informationsarchitekturen basiert, wie auch auf zahlreichen teils in Konkurrenz zueinander stehenden technischen Software-Lösungen, das im Rahmen der User Experience vielfach den Wechsel zwischen Domains und Subdomains erzwingt, und das über eine Vielzahl von Corporate Designs und Markenidentitäten mit Bürgern im Dialog steht, gehört von Grund auf neu konzipiert, entwickelt und designt. #Systemwandel

Die Kernbotschaft dieses Beitrags (für Leser, die wenig Zeit haben):

Wenn Prozesse effektiv verschlankt und Benutzer-/Bürgerfreundlichkeit erhöht werden sollen, dann führt an Design- und Brand-Thinking kein Weg vorbei.

Voraussetzung für die Benutzerfreundlichkeit der Bundesverwaltung ist eine konsequent umgesetzte Markenarchitektur und ein (möglichst) einheitliches Erscheinungsbild

Die Aufmachergrafik ist ein Symbolbild für die überbordende Bürokratie in Deutschland. In Bezug auf seine Identität(en) muss sich der Bund fragen, in Anlehnung an den Titel eines früheren Spiegel-Bestsellers: „wer bin ich – und wenn ja wie viele?“ Worauf der Bund nicht minder vieldeutig antwortet: „Wir sind bund“ – die in diesem Beitrag beklagte multiple Persönlichkeit unfreiwillig bestätigend.

Marken können Bürokratieprobleme sichtbar machen. Wie das? Marken sind Seismographen für gesellschaftliche Entwicklungen. Denken wir beispielsweise an Bio-Siegel, Umwelt-Label und Lebensmittelkennzeichnungen, die in großer Anzahl in den letzten zwei, drei Jahrzehnten entstanden sind. Marken wie Fair Trade, der Grüne Punkt oder Energy Star, in den 1990er-Jahren lanciert, spiegeln zunehmendes Umwelt- und Verantwortungsbewusstsein wider.

Damals störten sich vergleichsweise wenige Verbraucher an Plastikverpackungen oder inakzeptablen Produktions- und Arbeitsbedingungen. Heute sind Themen wie Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung aus dem gesellschaftlichen Diskurs nicht wegzudenken. Marken zeichnen derlei gesellschaftliche Bewegungen auf, bilden diese ab, und sie schwingen auf diesen Wellen mit. McDonald’s, lange Zeit unter anderem aufgrund der Verwendung umweltschädlicher Styroporverpackungen kritisiert, hatte sich vor gut 15 Jahren neu positioniert, das Produktsortiment betreffend, strategisch, und auch optisch. Mit Chamäleon-gleicher Anpassungsfähigkeit ausgestattet vollzog McDonald’s den Farbwechsel zu Grün.

Marken sind auch in anderer Hinsicht Indikatoren. Vollzieht ein Unternehmen in kurzer Zeit viele Rebrandings, ist dies nicht selten ein Hinweis auf wirtschaftliche Probleme, auf eine verfehlte Strategie, wie Schlecker, Beate Uhse, Opel oder Globetrotter dokumentieren.

So lässt sich anhand von Marken auch gut die Bürokratiemisere hierzulande ablesen. Der Redensart folgend wurde Jesus von Pontius zu Pilatus geschickt. 2000 Jahre später werden Menschen in Deutschland von bund.de zu „Verwaltung digital“ weitergeleitet und zwischen „BundID“, „E-ID“, „Elster“ und vielen weiteren Verwaltungsanwendungen, -Apps und -Plattformen hin- und hergeschoben.

Über Lösungsansätze soll noch gesprochen werden, doch zunächst ein Überblick der digitalen Angebote auf Bundesverwaltungsebene und der mit ihnen verbundenen Marken.

Marken der Bundesverwaltung im Überblick

Bundesverwaltungsamt (BVA)

Logo Bundesverwaltungsamt, Quelle: Bundesverwaltungsamt

Das Bundesverwaltungsamt (BVA) ist eine deutsche Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI). Mit Hauptsitz in Köln und 23 weiteren Standorten übernimmt es zentrale Verwaltungsaufgaben für den Bund, darunter die Unterstützung anderer Behörden, die Modernisierung der Verwaltung und die Digitalisierung von Prozessen. Es fungiert als Dienstleister für Bürger, Unternehmen und öffentliche Institutionen und beschäftigt rund 6.000 Mitarbeiter.

Domain: bva.bund.de / Hausschrift: Bundes Sans

bund.de Service Online

Logo bund.de Service Online, Quelle: BundesverwaltungDas Portal ist für Bürger, Unternehmen und Verwaltungen der zentrale Zugang zu den elektronischen Ausschreibungen und Stellenangeboten der Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltung. Ein Verzeichnis aller Behörden und Institutionen der Bundesverwaltung im Internet. Laut Eigenbeschreibung ist bund.de eines der „meist genutzten Portale des Bundes“.Viele Jahre beherbergte die Domain bund.de das zentrale Dienstleistungsportal des Bundes. Derzeit fungiert die Domain bund.de lediglich als Weiterleitung auf verwaltung.bund.de.

Die nachfolgend aufgeführte Domain verwaltung.bund.de war bis zum Launch von „Verwaltung digital“ unter dem Markendach von „bund.de Service Online“ subsumiert (bzw. zuletzt „bund.de Verwaltung digital“).

Domain: service.bund.de / Verwendete „Hausschrift“: Arial

Verwaltung digital

Logo Verwaltung digital / Digitalwappen, Quelle: BMIEin gemeinsames Projekt von Bund, Ländern und Kommunen. Die Marke „Verwaltung digital“, mit einem Bundesadler als Bildmarke, wird seitens der Regierung als „digitale Dachmarke für Deutschland“ bezeichnet. Die Regierung verfolgt mit der im Dezember 2024 gelaunchten Marke und dem damit verbundenen Angebot das Ziel, „staatliche Verwaltungsleistungen leicht erkennbar“ zu machen.Die Verwendung dieses Markenabsenders durch staatliche Stellen erfolgt auf freiwilliger Basis. Nach Vorstellung der Regierung kann das „Digitalwappen“, wie der Markenabsender auch bezeichnet wird, „überall dort eingesetzt werden, wo eine staatliche Kennzeichnung als Vertrauensanker sinnvoll ist und bisher fehlt“.

Domain: verwaltung.bund.de / Verwendete „Hausschrift“: Fira Sans

BundID

Logo Bundesverwaltung – bund ID, Quelle: BMI

Die BundID ist ein zentrales, digitales Nutzerkonto des Bundesministeriums des Innern und für Heimat, das Bürgern ermöglicht, sich für digitale Verwaltungsleistungen zu authentifizieren. BundID dient als Basisdienst für die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) und soll, so das Ziel, langfristig alle Verwaltungsleistungen in Deutschland digital zugänglich machen. Die Regierung strebt an die BundID zur DeutschlandID weiter zu entwickeln. 2019 wurde das Authentifizierungssystem gestartet. Ende 2024 waren mit der BundID 5 Millionen Nutzerkonten verbunden.

Domain: id.bund.de / Verwendete „Hausschrift“: IBM Plex Sans

Deutschland. Läuft nur mit dir

Logo Bundesverwaltung – „Deutschland. Läuft nur mit dir“, Quelle: BMI

Stellenbörse und Informations-Website, auf der sich die Bundesverwaltung im Sinne von Employer Branding als Arbeitgeber präsentiert. Seitens des Bundes gleichsam als „Karriere-Kampagne“ und auch als „Arbeitgeber-Dachmarke“ bezeichnet. Das Angebot wurde im Mai 2023 unter der Leitung des Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) gelauncht (Pressemeldung).

Domain: karriere.bund.de / Verwendete „Hausschrift“: Poppins

Öffentliche Vergabe

Logo Bundesverwaltung – Öffentliche Vergabe, Quelle: BMI

Gemäß Eigenbeschreibung ein Bekanntmachungsservice und „das zentrale Portal für die Suche nach Bekanntmachungen öffentlicher Auftraggeber aus Bund, Ländern und Kommunen“. Der Bekanntmachungsservice wurde in einem Projekt des Bundesministeriums des Innern und für Heimat sowie des Beschaffungsamts des BMI entwickelt und im Januar 2023 bereitgestellt (Pressemeldung).

Domain: oeffentlichevergabe.de / Verwendete „Hausschrift“: PT Sans

gesund.bund.de

Logo Bundesverwaltung – gesund.bund.de, Quelle: BMGEin in dieser Form seit 2020 bestehendes Informationsangebot zu Gesundheitsthemen, Krankheitsbildern und Behandlungsmöglichkeiten, das vom Bundesministerium für Gesundheit bereitgestellt wird. Ziel von gesund.bund.de ist, gemäß Eigenbeschreibung, „die zuverlässige und verständliche Vermittlung von gesundheitsbezogenem Wissen. Das Angebot dient dazu, die Gesundheitskompetenz und Selbstbestimmung von Bürgerinnen und Bürgern zu fördern“.

Domain: gesund.bund.de / Verwendete „Hausschrift“: Fira Sans

Wir sind bund

Logo „wir sind bund.de“, Quelle: BAMFDas Ausbildungsportal der Bundesverwaltung. Auf dieser Website wird über Ausbildungs- und Studienmöglichkeiten im öffentlichen Dienst des Bundes informiert. Das Angebot richtet sich insbesondere an Personen / junge Menschen, die eine Karriere in der Bundesverwaltung beginnen möchten, unabhängig von ihrer Herkunft oder ihrem Hintergrund. Betreiber der Website ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF).

Domain: wir-sind-bund.de (seit 2012) / Verwendete Hausschrift: Bundes Sans

GovData

Logo Bundesverwaltung – Govdata, Quelle: FITKO (Föderale IT-Kooperation)data.gov.de ist das zentrale Open-Data-Portal für Deutschland, das unter dem Namen GovData betrieben wird. Es bietet Bürgern, Unternehmen, Wissenschaftlern und der Verwaltung Zugang zu offenen Verwaltungsdaten aus Bund, Ländern und Kommunen (Open Government Data).

GovData wird vom deutschen IT-Planungsrat verantwortet und von der FITKO (Föderale IT-Kooperation) verwaltet.

Domain: govdata.de (seit 2013) und data.gov.de / Verwendete „Hausschrift“: Noto Sans

Soweit eine Bestandsaufnahme. Die Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit – sie dient der Veranschaulichung der Problematik.

Eine einfache, schnelle digitale Verwaltung wollen eigentlich alle. Doch wie umsetzen?

Obwohl alle Regierungsparteien seit Jahrzehnten den Abbau von bürokratischen Hemmnissen ankündigen, ist die digitale Präsenz des Bundes in den letzten Jahren, bedingt durch die beschriebene Fragmentierung von Diensten und Angeboten, zunehmend unübersichtlicher geworden.

Die Gründe für die Fragmentierung sind vielschichtig und können an dieser Stelle nur angerissen werden. Drei Faktoren und Ursachen:

1. Seit der Gründung der Bundesrepublik im Jahr 1949 besteht die Regierung überwiegend aus Koalitionen (mit Ausnahme der Jahre 1957 bis 1961). Politische Entscheidungen auf Bundesebene sind also in der Regel das Ergebnis von Kompromissen zwischen Koalitionären. Der Kompromiss ist das Wesen der Demokratie (W. Brandt). Doch Kompromisse können einer bestmöglichen Lösung auch im Wege stehen (kleinster gemeinsame Nenner).

2. Jeder Koalitionspartner ist bemüht eigene Inhalte umzusetzen. Logisch. Marken dienen nicht nur der Wiedererkennung und Differenzierung, sie stärken auch die Sichtbarkeit eines Produktes/Angebotes. Der Launch eines neuen digitalen Angebotes und einer damit verbundenen Verwaltungsmarke (wie „Verwaltung digital“) lässt sich im weiteren Sinne auch als Profilierung des jeweiligen Ministeriums und des hierfür zuständigen Koalitionspartners verstehen, Stichwort Vorzeigeprojekt.

3. Der Föderalismus der Bundesrepublik Deutschland. Vorteile von Föderalismus: dieser fördert die regionale Selbstbestimmung und ermöglicht flexible Lösungen, die an lokale Bedürfnisse angepasst sind. Zudem stärkt dieser die Machtverteilung und verhindert eine zentrale Konzentration von Macht, wie sie in einem totalitärem System vorherrscht. Nachteile von Föderalismus: Föderale Strukturen können zu ineffizienten Entscheidungsprozessen und Kompetenzkonflikten zwischen Bund und Ländern führen (z.B. Datenschutz). Außerdem besteht die Gefahr von Uneinheitlichkeit bei wichtigen Themen wie Bildung, Infrastruktur und Verwaltung.

Da sowohl Kompromisse als auch der Föderalismus weiterhin die Politik in Deutschland prägen und bestimmen werden, wovon auszugehen ist, und was im Hinblick auf die internationale Aushöhlung demokratischer Strukturen auch als wünschenswert angesehen werden kann, bliebe als Handlungsansatz Punkt 2. Die Implementierung einer überzeugenden Digitalstrategie müsste demnach als gemeinsames Vorzeigeprojekt aller Regierungspartner und Ministerien angesehen und als solches konsequent angegangen werden.

Nutzerzentriert denken, wie in Großbritannien

Die äußere Angebots- und Markenwelt des Bundes spiegelt die innere, vielgliedrige Struktur von Bund und Staat wider. Was ein Problem darstellt. In der Marktwirtschaft profitieren wir als Konsumenten von der Vielfalt des Angebotes und der Auswahl an Marken. Im Kontext eGovernment jedoch verschlechtert die Zersplitterung der Behörde in viele unterschiedliche Verwaltungseinheiten und -marken den Nutzwert, und sie erschwert die Akzeptanz des digitalen Angebotes als solches.

In Großbritannien, im Gegensatz zu Deutschland ein unitarischer Staat, lassen sich Macht und Kompetenzen leichter bündeln. So konnte im Jahr 2011 der Government Digital Service (GDS) gegründet werden, eine Einheit innerhalb des Cabinet Office, die an zentraler Stelle mit der Transformation öffentlicher Online-Dienste beauftragt wurde. Schon seit 2010 verfolgt die britischen Regierung (Kabinett Cameron I) die Verschmelzung aller digitalen Dienste („Digital by Default“), damit verbunden gleichsam eine One-Brand-One-Domain-Strategie.

Zum GDS gehört seit 2014 eine eigene Designagentur (Design102). Von ursprünglich 14 auf mittlerweile 50 Beschäftigte angewachsen arbeitet die Agentur ausschließlich für den öffentlichen Sektor, übernimmt für diesen die strategische Planung und deckte eine große Brandbreite an Kreativleistungen ab (Design, Branding, Kampagnen, Video- und Animationsproduktion). Designkompetenz, Brand-Management, Corporate Communication – alles inhouse! Ein unschätzbarer Vorteil.

Die Website der Regierung (gov.uk) ist vollumfänglich auf die Bedürfnisse der Menschen ausgerichtet und konsequent auf User Centered Design konzipiert und gestaltet. Von über 2.000 Websites, die einst mit der britischen Regierung verbunden gewesen sind (Directgov, Business Link, u.a.), wurden im Zuge der Vereinfachung des digitalen Verwaltungsapparates 1.720 Websites (!) vom Netz genommen. Viele Inhalte/Angebote wurden unter gov.uk eingegliedert. Für derzeit 145 staatliche Entitäten bestehen Ausnahmen – diese sind nach wie vor über originäre Top-Level-Domains erreichbar. Dem GDS zufolge sollen zukünftig weitere 295 bislang eigenständige Websites in das zentrale Regierungsportal gov.uk integriert werden.

Während beispielsweise der Bund seit kurzem eine visuell eigenständige Karriereplattform von externen Dienstleistern entwickeln hat lassen, wurde diese in Großbritannien inhouse produziert und ist integraler Bestandteil des zentralen Verwaltungsdienstes (nationalcareers.service.gov.uk).

Zwar verfügt die Bundesregierung über ein einheitliches visuelles Erscheinungsbild (styleguide.bundesregierung.de), doch zahlreiche sogenannte „Programmmarken“ der Regierung führen in visueller Hinsicht ein Eigenleben. In Großbritannien hingegen wird die Konsistenz der Präsenz der Regierung über die unterschiedlichen Websites, Apps und Kampagnen hinweg über ein Framework namens SAFE gewährleistet. Die im Oktober 2010 von Martha Lane Fox formulierten Handlungsempfehlungen („Directgov 2010 and beyond – Revolution not Evolution“, PDF) bilden die Grundlage für die heute von der britischen Regierung verfolgte in vielerlei Hinsicht vorbildliche, weil nutzerzentrische Digitalstrategie.

Effizienz und Nutzerfreundlichkeit dank Bündelung

Die Vorteile einer zentralen Lösung liegen auf der Hand: weniger Verwaltungsaufwand, klare Zuständigkeit, Einheitlichkeit, aus User-Sicht ein leichteres Zurechtfinden (Onboarding), schnelleres Auffinden von Informationen, eine konsistente User Experience und damit mehr Nutzerfreundlichkeit. Technische und wirtschaftliche Vorteile bietet eine als Ganzes gedachte und geplante Lösung obendrein.

Allein unter bund.de werden weit mehr als 30.000 Subdomains verwaltet (Quelle). Hinzu kommt eine immer größer werdende Anzahl zusätzlicher Top-Level-Domains (oeffentlichevergabe.de, deutschland-machts-effizient.de, gut-leben-in-deutschland.de, personalausweisportal.de, bafoeg-digital.de, etc.). Dabei hatte der Bund noch vor gut zwanzig Jahren eine zentrale Plattform, wenn auch eine rudimentäre, nach heutigem Standard bemessen. Doch anstatt bund.de als zentrale Plattform konsequent auszubauen und im Hinblick auf Design- und Brand Thinking weiterzuentwickeln, wurde unter mehreren Regierungen die Dezentralisierung der digitalen Präsenz und die Ausweitung von Markenidentitäten vorangetrieben.

Der Nutzwert einer zusätzlichen „Dachmarke“ a la „Verwaltung digital“, die de facto gar keine Dachmarke ist, auch weil sie dem Prinzip der Freiwilligkeit unterliegt, ist aus Anwender-/Bürgersicht sehr gering. Dabei ist die Rechnung simpel: je mehr unterschiedliche Logos, Siegel, Farben, Schriften, Layouts und Designs, umso undeutlicher die Kommunikation, umso unübersichtlicher sind Anwendungen (digital, analog) aus Nutzersicht (cognitive overload). Eine inkonsequente, unscharfe Kommunikation kann zum Vertrauensverlust führen, und die Akzeptanz von digitalen Diensten entscheidend schwächen. Gerade im Hinblick auf das sinkende Vertrauen in den Staat (eGovernment Monitor 2023), sollte die Kommunikation des Bundes unkompliziert, unmissverständlich, konsistent und verbindlich sein.

Hierfür braucht es einen echten Systemwandel, ein Umdenken im Kopf. Weg von einer Denke in Kampagnen (kurzfristig Aufmerksamkeit), hin zu einer holistischen Herangehensweise (langanhaltende substanzielle Verbesserung). Offensichtlich mit heißer Nadel gestrickte Webanwendungen wie oeffentlichevergabe.de – wie viele weitere neu entstandene externe Plattformen durch das BMI bereitgestellt –, mit einem Clipart-Logo und einer Fotomontage des Grauens ausgestattet, können wohl kaum als digitale Staatsmodernisierung angesehen werden. Eher als Fall für das Schwarzbuch.

Nachhaltig durch und mit Design

Um abschließend auf den eingangs erwähnten Koalitionsvertrag zurückzukommen. Beachtenswert ja vielleicht bemerkenswert ist, was CDU/CSU und SPD im Entwurf in Bezug auf die digitalen Dienste als Ziel formuliert haben:

Unser Ziel ist, dass digitale Angebote schon „by design“ und „by default“ verbraucherfreundlich gestaltet werden. […] Unser Leitbild: eine vorausschauende, vernetzte, leistungsfähige und nutzerzentrierte Verwaltung – zunehmend antragslos, lebenslagenorientiert und rein digital (digital only) mit gezielten Unterstützungsangeboten.

„By design“ und „nutzerzentriert“ ist in jedem Fall die richtige Herangehensweise. Eine Digitalstrategie beinhaltet freilich eine Fülle an Handlungsfeldern und Zielsetzungen. Doch eines ist klar: ein kreativer, analytischer, Iterativer Prozess, wie er im Design Thinking systemisch gebundenen ist, ist eine maßgebliche Voraussetzung für die Modernisierung von Verwaltungsprozessen. 

Eine verbesserte Zusammenarbeit (Interdisziplinarität), schnelles Prototyping, Inhouse-Kompetenz / kurze Wege und zentrale Verantwortlichkeit sind weitere maximal förderliche Faktoren. Sofern Design und Marke innerhalb der Vorhaben der Regierung systemisch verankert werden, kann eine moderne leistungsfähige und nutzerfreundliche digitale Verwaltung entstehen, und sich die damit verbundene transformative Kraft entfalten – „driven by design“.