Leitenberger Kolumne: Dilemma & Symbiose

In ihrer neuen Kolumne »Design ist keine Insel« diskutiert DDC Vorständin Simone Leitenberger die vielfältigen Potenziale von Design –  über den Tellerrand der Branche hinausKünstliche Intelligenz ist eines der derzeit meistdiskutierten Themen – ...

Apr 10, 2025 - 07:10
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Leitenberger Kolumne: Dilemma & Symbiose

In ihrer neuen Kolumne »Design ist keine Insel« diskutiert DDC Vorständin Simone Leitenberger die vielfältigen Potenziale von Design –  über den Tellerrand der Branche hinausSimone Leitenberger lächelt in die Kamera. Sie ist eine Frau mit dunklen Haaren, einer schwarzen, gerundeten Brille. Sie trägt ein weißes Oberteil und hellroten LippenstiftBild: ©SLeitenbergerKünstliche Intelligenz ist eines der derzeit meistdiskutierten Themen – und das nicht nur in den exklusiven Kreisen des Weltwirtschaftsforums in Davos. Auch in der Politik wird sie als Lösung in Fragen der Zukunft gehandelt. Wir können davon ausgehen, dass KI einen Einfluss auf unsere Gesellschaft haben wird, eine Wirkung auf unsere Gemeinschaft. Im Begriff »gemeinsam« entdecke ich »einsam«. Ein subtiler Hinweis, wenn wir die gesellschaftliche Realität betrachten?

Wir leben in einer Gesellschaft, die individualisiert ist. Die älter wird. Dies bringt nicht nur praktische Herausforderungen mit sich, sondern stellt uns auch vor tiefergehende soziale Fragen. Etwa, wie wir soziale Bindungen aufrechterhalten. Soziale Medien sind allgegenwärtig und bieten unzählige Möglichkeiten der Vernetzung. Digitale Kommunikation ist grenzenlos verfügbar. Doch die scheinbare Nähe geht mit einem Mangel an verlässlichen Beziehungen einher. 

Es ist ein systemisches Problem, das nicht nur individuelles Empfinden betrifft, sondern soziale Strukturen und Bedürfnisse in den Mittelpunkt rückt. Paradox und positiv: Inmitten des Dilemmas gibt es eine Sehnsucht nach dem Authentischen, nach Gemeinschaft.

Design als vermittelnde Disziplin

Design hat immer eine entscheidende Rolle in der Entwicklung von sozialen Strukturen und Technologien gespielt. Heute geht es weniger darum, einfache Lösungen zu finden, als neue Perspektiven zu eröffnen und Verbindungen zwischen Disziplinen zu schaffen, auch solchen, die auf den ersten Blick nicht miteinander in Beziehung stehen.

Immer mehr Unternehmen entdecken diese Potenziale, sei es in ihren interdisziplinären Teams oder in der Zusammenarbeit über die traditionellen Grenzen von Branchen hinweg. Die Idee, dass Herausforderungen unserer Zeit nicht mehr von Einzelnen, sondern besser gemeinsam bewältigt werden können, ist mittlerweile verbreitet. Die Zukunft liegt nicht in einem Mehr oder einem Größer, sondern in Möglichkeiten, die auf Integrität und Kooperation setzen. Die Natur bietet uns wertvolle Beispiele für gemeinschaftliches Handeln.

Netzwerke bilden

Ein Phänomen ist die Kommunika­tion von Pilzen. Ihre Myzelien spannen ein unterirdisches Netz von bis zu neun Quadratkilometern und sichern die Überlebensfähigkeit in einem sich ständig verändernden Ökosystem. Der Pilz, den wir sehen, ist die Spitze des Eisbergs. Eine Parallele zum sichtbaren Part von Kommunikationsdesign? 

Sicher sind dieses und andere Phänomene nicht vollständig auf die menschliche Kommunikation und Gesellschaft übertragbar. Doch sie können uns helfen, komplexe Systeme besser zu verstehen, und bieten uns Ansätze für soziale und wirtschaftliche Verbindungen. Myzelien sind nicht nur für den einzelnen Organismus, sondern für den gesamten Wald bedeutend.

Mit dem biologischen Wachstum von Organismen experimentiert die Architektur. Während menschliche Räume bisher kontrollierte Umgebungen waren, die auf Verdrängung des Nichtmenschlichen setzten, bringen Wissenschaft, Design und Architektur heute menschzentrierte Typologien mit naturzentrierten Bedürfnissen in Einklang. Modernste KI-Tools erzeugen mithilfe von Standortdaten ressourcenoptimierte Ansätze für Architektur und Stadtplanung. Generatives Design wird zum verbindenden Element.

Hinweis: Dieser Artikel ist erstmals in PAGE N°1 | 2025 erschienen. Im gedruckten Artikel ist uns in diesem Absatz leider ein Satzfehler unterlaufen, der in der Online-Variante richtiggestellt ist. 

Interdisziplinär geht nur gemeinsam

Auf Synergien zwischen Natur und Technik setzt auch Textildesign. Ein innovativer Ansatz ist das Färben mit Bakterien. Wachsen Bakterien direkt auf dem Textil, entwickeln sie Pigmente, die unmittelbar mit dem Stoff verbunden sind. Die Extraktion von Pigmenten oder fixierende Chemikalien, die den Farbstoff farbecht machen, werden überflüssig. Die Bilanz von Belastungen wird erheblich verbessert, weil durch den Verzicht auf Chemikalien, je nach Textil, bis zu 500 Mal weniger Wasser benötigt wird.

Die Brücke, die Designer:innen zwischen Ingenieur:innen, Sozialwissenschaftler:innen oder sogar Biolog:innen schlagen, hat das Potenzial, innovative Lösungen hervorzubringen, die nicht nur sozial und ökologisch verantwortungsbewußt, sondern auch effizient sind.

Während Menschen dazu neigen, in die Vergangenheit zu blicken, wirft Design (fast immer) einen Blick in die Zukunft. Und verändert im besten Fall auch unsere Gegenwart. Dass auch andere in diesem Spannungsfeld unterwegs sind, hilft uns. Klar ist: Es geht nur gemeinsam.

Über Simone Leitenberger

Simone Leitenberger ist Designerin, Strategin und freie Beraterin. Sie hat an öffentlichen Hochschulen gelehrt, hält Vorträge und Talks und setzt sich unter anderem im Vorstand des DDC für die Wahrnehmung von Design ein. Ihre Arbeiten für renommierte nationale und internationale Unternehmen, Ministerien, Institute, Museen sind mehrfach ausgezeichnet.

PAGE N° 01 2025

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