Im Land der Bären: Unterwegs in den rumänischen Karpaten
In Hütten übernachten, durch Wälder streifen, auf Berge steigen, wilde Tiere beobachten: Ein Teil der rumänischen Karpaten soll zum Yellowstone-Park von Europa werden. Wir waren schon mal da.

In Hütten übernachten, durch Wälder streifen, auf Berge steigen, wilde Tiere beobachten: Ein Teil der rumänischen Karpaten soll zum Yellowstone-Park von Europa werden. Wir waren schon mal da.
Als ich das erste Mal in Rumänien war, kam ich mit einem Hund zurück. Das war vor zwölf Jahren. Das habe ich dieses Mal nicht vor, aber das Land hat mich dadurch nicht mehr losgelassen.
Rumänische Karpaten: Das pure Glück
Jetzt sitze ich auf einer Lichtung vor einer Holzhütte, sauge die ersten Sonnenstrahlen des Morgens auf, trinke meinen Kaffee und bin fassungslos vor Glück. Um mich herum Fichten, Tannen und hohe Berge, in der Nähe plätschert ein Bach. Heute Nacht, als ich aufs Plumpsklo musste, hörte ich einen Hirsch röhren.
Die kleine, einfache Holzhütte mit zwei Zimmern, drei Betten und einem schmiedeeisernen Ofen steht im Fărăgas-Gebirge im Dracsin-Valley in den Südkarpaten. Oana, die uns als Guide auf dieser Tour begleitet, hat uns gestern Abend in dem kleinen Ort Rucár in Empfang genommen, als es schon fast dunkel wurde. Wir beluden schnell den Jeep mit Lebensmitteln und Gepäck und machten uns auf den Weg. Es gab am Wald noch eine letzte Schranke, deren Schlüssel nur ausgewählte Personen besitzen – und dann ruckelten wir langsam durch finsteres, unwegsames Gelände zur Hütte. Nach einem deftigen Abendessen, das Oana mit unfassbar leckeren Trüffeln zubereitet hatte, Feuer im Ofen und einem Schluck Rotwein fielen wir erschöpft ins Bett.
© Djamila Grossman
Nun ist also der nächste Morgen, Oana hat schon Kaffee gekocht, und ich hocke auf meiner Holzbank, beseelt von der Ruhe, dem würzigen Geruch des Waldes und dem Gefühl, weit weg von allem zu sein. Gleich werden wir wandern. Wir sind hier auf 1500 Metern und wollen uns noch etwas hocharbeiten. Die Gegend ist wild und ursprünglich, es gibt Bären, Wölfe und Bisons. Das Fărăgas-Gebirge ist das größte zusammenhängende Bergwald-Gebiet Europas. Wenn alles gut geht, soll hier der "Yellowstone" Europas entstehen – nach dem Vorbild des großen amerikanischen Nationalparks. Das haben sich zumindest die beiden Österreicher Barbara und Christoph Promberger so vorgestellt, die vor fast 20 Jahren die "Carpathia-Foundation" gegründet haben und seitdem alles dafür tun, dass die Wildnis auch wild bleibt und nicht der Holzmafia oder anderen zwielichtigen Organisationen zum Opfer fällt.
Entspannung pur in der Wald-Idylle
Ich muss gestehen, ich wandere so mittelgerne.Aber Oana hat uns eine entspannte Tour versprochen, mit Picknick auf einer verlassenen Schäferhütte. Und als wir dort oben sitzen, mit einem weiten Blick über steppenartige Wiesen, um uns herum ein paar halbwilde Pferde, bin ich froh, hier hochgeklettert zu sein. Wo die Pferde herkommen? Die werden für Waldarbeiten genutzt, erklärt mir Oana, und wenn sie nicht arbeiten müssen, laufen sie halt frei. Oana weiß wirklich alles: Sie kennt jede Pflanze, jeden Baum, jede Tierspur. Und sie brennt für ihren Job.
© Djamila Grossman
Als wir am Nachmittag zurückkommen, waschen wir uns im eiskalten Bach, es ist herrlich! Auf der Hütte gibt es kein fließendes Wasser, alles, was man verbraucht, muss in Kanistern mitgebracht werden, da kommt so ein Bad sehr gelegen. Dann legen wir uns auf die Lichtung in die Sonne und sind einfach nur da. Neben uns tannenüberzogene Hänge, vor uns Bergkuppen und ein Licht, das langsam alles golden färbt.
Am nächsten Tag geht es leider schon weiter. Schweren Herzens nehme ich Abschied von der Wald-Idylle. Aber wir wollen nach Şinca Nouá auf den Reiterhof, den die Prombergers dort betreiben. Die Gegend, durch die wir fahren, heißt Transsylvanien – und klar, da klingelt es sofort: die Heimat von Graf Dracula! Zumindest will es die Legende so. Und natürlich stoppen auch wir am legendären "Schloss Bran", einer monumentalen gotischen Festung, die das kleine Städtchen gleichen Namens überragt.
© Djamila Grossman
Ein kleiner Kulturschock, denn hier ist wirklich Touri-Alarm. Alles voll von Menschen, Autos, Souvenir-Läden – darauf kann ich gerade nicht so gut nach der Ruhe. In Erinnerung an Bran wird mir vor allem ein unfassbar leckerer "Chimney-Cake" bleiben, den Oana uns noch schnell an einer Bude kauft – das ist ein aus Hefeteig über offenem Feuer gebackener Kuchen, auch Baumstriezel genannt.
Dem König des Waldes auf der Spur
Die Gegend, durch die wir fahren, ist märchenhaft. Kleine mittelalterliche Dörfer, Burgen und Schlösser. Dann sind wir in Şinca Nouá. Die Prombergers haben den Reiterhof 2004 eröffnet, als Reit-Tourismus in Rumänien noch unbekannt war. Als Biologen haben sich die beiden Ende der 90er-Jahre in einem Wolfs-Forschungsprojekt in Rumänien kennengelernt und schon damals mit nachhaltigem Tourismus beschäftigt. Hier Reittouren anzubieten war allerdings ein Sprung ins kalte Wasser, Barbara muss heute noch lachen über diese Entscheidung, die "total naiv" gewesen sei. Zwei Biologen machen einen Businessplan … Aber sie bissen sich durch! Heute stehen rund 30 Pferde auf ihrer "Equus Silvania"-Farm, es werden Wander- oder Ausritte angeboten, und die Gäste kommen nicht nur zum Reiten, sondern weil es hier schön und familiär ist.
© Djamila Grossman
Auch wir sitzen gleich am langen Tisch, an dem sich morgens, mittags und abends alle versammeln, essen und plaudern. Da sind Falk und Martina aus Hamburg oder Brigitte und ihre Tochter aus Köln, die uns am frühen Abend zum Bear-Hide begleiten. Klar, könnte man den Tieren in den Karpaten auch bei einer einfachen Wanderung begegnen – es gibt hier ungefähr 8000 Braunbären – aber am Bear-Hideaus der sicheren Distanz eines holzverkleideten Hochsitzes ist es dann doch ein bisschen entspannter. Das Gelände ist nicht eingezäunt, die Bären werden lediglich von den Rangern mit Futter angelockt. Wir sehen Einzeltiere und Mütter mit ihren Jungen, die miteinander spielen und die Bäume hochklettern, während Mama unten geduldig wartet. Ein wirklich seltenes und anrührendes Erlebnis.
Ein kleiner Ort wie Bullerbü
Der letzte Stopp unserer Reise wird eine Bio-Farm in einem kleinen Dorf nördlich von Şinca Nouá sein. Der Weg dorthin ist schon ein Abenteuer, denn hier erleben wir noch mal ein richtig ländliches Rumänien: verfallene Dörfer, Scharen von streunenden Hunden, Schäfer mit ihren Herden, Roma-Siedlungen – und ab und an kommt uns sogar ein Pferde-Fuhrwerk entgegen. Dazwischen immer wieder weite Felder und Wiesen. In Cobor leben nur noch rund 200 Menschen, viele Häuser und Höfe scheinen verlassen. Die Sensation ist eine Kirche aus dem 13. Jahrhundert, die allerdings mehr oder weniger vor sich hin verfällt.
© Djamila Grossman
Die Farm dagegen ist ein schmuckes Ensemble aus mehreren Gebäuden, das die Stiftung der Prombergers mit gutem Augenmaß saniert hat. Gemütliche Zimmer und eine große Diele, in der die Gäste gemeinsam essen. Die Attraktion ist eine riesige Rinderherde – rund 300 "Hungarian Grey" – die von zwei Hirten begleitet über die umliegenden Ebenen ziehen und ein imposantes Bild abgeben. Drei Jungtiere sind noch an der Farm aufgestallt und lassen mit ihren großen Kulleraugen nicht nur mein Herz schmelzen. In Cobor geht es vor allem um experimentelle Landwirtschaft und die Frage, wie kleine Betriebe im Einklang mit der Natur wirtschaftlich bestehen können.
© Djamila Grossman
Ein kleines Bullerbü ist das hier – und jeder Straßenhund, der in der Nähe der Farm auftaucht, hat Glück: er bekommt Futter und bei Bedarf eine Visite beim hauseigenen Tierarzt. Natürlich habe auch ich gleich wieder einen ins Herz geschlossen. Er war tagsüber mit uns gelaufen und kam nach dem Abendessen, als ich draußen stand, um sich streicheln zu lassen. Nein, ich werde diese Mal keinen Hund retten können. Aber ich entferne ihm ein paar Zecken und flüstere ihm ins Ohr, dass er sich an diesen Ort halten soll, weil es ein guter ist.
Unsere Tipps für Rumänien
Yellowstone in Europa
Mehr als die Hälfte der Urwälder Europas befinden sich in den rumänischen Karpaten, und etwa ein Drittel der europäischen Großraubtiere durchstreifen die Wälder dieser Berge.
Aus einer Vision wird Wirklichkeit
Um diese Wildnis zu erhalten, haben Barbara und Christoph Promberger 2006 die "Foundation Conservation Carpathia" gegründet. Ihr Ziel: ein europäischer Nationalpark nach Vorbild des US-amerikanischen Yellowstone. Dank diverser Unterstützer kommen sie diesem Ziel stetig näher. Die Stiftung besitzt mittlerweile eine Fläche von 27 500 ha, die vor illegaler Abholzung geschützt und nachhaltig aufgeforstet wird – und die Menschen vor Ort einbezieht.
Hinkommen & Rumkommen
Man fliegt am besten nach Bukarest oder Herrmannstadt, von dort geht es mit dem Mietwagen weiter. Von Bukarest nach Rucár sind es z. B. 149 km (Fahrzeit ca 3 Std.), nach Şinca Nouá 175 km (3,5 Std). "Travel Carpathia" stellt die Übernachtungen auf Wunsch zusammen. Zur Wahl stehen vier Hütten, die "Equus Silvania"- und die "Cobor-Farm". Die Wildbeobachtungshütten können nur inkl. Guide gebucht werden. Alle weiteren Infos über travelcarpathia.com (Tel. +40/754 22 77 63).
Übernachten
Equus Silvania: Die Zimmer, sind alle nach nachhaltigen Standards renoviert: viel Holz, natürliche Materialien, schlicht-moderner Stil. Unten im Eingangsbereich lodert bei kaltem Wetter der Kamin, im Sommer sitzt man auf der weinumrankten Terrasse. Wer Lust auf Ausritte oder Reitstunden hat, kann das vor Ort buchen – auch Wanderritte sind möglich. DZ/F ab 120 Euro (equus-silvania.com, Tel. +40/753 01 44 65).
Bunea Hütte: Die Holzhütte mit großen Panoramafenstern liegt wunderschön oberhalb eines Sees im südlichen Fărăgas-Gebirge, mit etwas Glück sieht man Bären, Luchse oder Wölfe. Es gibt drei Schlafzimmer und Platz für bis zu sechs Personen. Eine Übernachtung inkl. Guide, Transfer und Vollverpflegung kostet pro Person 300 Euro, jede weitere Nacht 226 Euro.
Comisu Hütten: Die zwei Wildbeobachtungshütten auf 1600 Meter Höhe sind nur zu Fuß zu erreichen. Platz für bis zu sechs Personen. Eine Übernachtung inkl. Guide, Transfer und Vollverpflegung kostet 226 Euro pro Person, jede weitere Nacht 153 Euro.
Dracsin Cabin: Kleine, gemütliche Holzhütte in einem sonnigen Tal für max. drei Personen – in die man auch ohne Guide kann: Übernachtung 50 Euro pro Person, mit Guide, Transfer, Vollverpflegung 175 Euro pro Person.
Gut zu wissen
Im Frühjahr und Herbst kann das Wetter schnell umschwenken. Unbedingt warme Kleidung mitnehmen.