Tradwives: "Tradwife-Videos haben eine offene Flanke nach rechts"

Tradwives zelebrieren auf Social-Media-Plattformen ein traditionelles Hausfrauenbild. Was wie ein spaßiger Retro-Trend aussieht, birgt radikale Botschaften.

Apr 4, 2025 - 10:08
 0
Tradwives: "Tradwife-Videos haben eine offene Flanke nach rechts"

Tradwives zelebrieren auf Social-Media-Plattformen ein traditionelles Hausfrauenbild. Was wie ein spaßiger Retro-Trend aussieht, birgt radikale Botschaften.

Es begann ganz harmlos, mit ein paar Trends auf Instagram. "Vanilla Girls" zum Beispiel, bei dem sich junge Frauen mit Schulmädchenfrisur und in pastellfarbenen Cardigans inszenieren. Oder "Cottagecore", das für nostalgisch gefärbte Landlust steht, mit Gartenbank vor Stockrosen. Dann, etwa zeitgleich mit der Pandemie, ging ein neuer Begriff viral: "Tradwife", kurz für "traditional wife", also traditionelle Ehefrau.

Tradwives als Social-Media-Phänomen

Seither zelebrieren zahlreiche Frauen auf Social Media ein Leben, das um Mann und Kinder kreist und vor allem in der Küche stattfindet. Was man erst mal unbedenklich finden kann, transportiert allerdings auch beunruhigende Botschaften. Die Szene hat ihren Ursprung in den USA, wo evangelikales Christentum und antifeministische Rechtsaußen-Bewegungen stärker verwurzelt sind als in Deutschland. Schon in Donald Trumps erster Amtszeit galten traditionell lebende Ehefrauen als wichtige Wählerinnenbasis für die radikalisierte republikanische Partei. Zu den erfolgreichsten Accounts gehört der von Hannah Neeleman (@ballerinafarm), Mormonin und Mutter von acht Kindern. Ihre Clips rund um Kühemelken und Kirchgang im Staat Utah werden von zehn Millionen Menschen gesehen, sowohl auf TikTok als auch auf Instagram.

Das Spektrum der deutschen "Tradwife"-Szene reicht von bieder bis Bling-Bling, Ultras wie Neeleman sind hier seltener. Accounts, in denen es um "traditionelle Werte" geht, kommen oft nur auf ein paar Hundert Abonnent:innen; zugkräftiger ist die Variante "stayathomegirlfriend". Unter diesem Begriff inszenieren sich junge Frauen als Luxusweibchen mit klarer Rollenverteilung: Der Mann sorgt für den aufwendigen Lebensstil, die Frau steht dafür 24/7 sexy in der Küche.

Eine Königin der Szene ist @malischka alias Carolina Tolstik, der auf Tiktok fast 30 000 Menschen folgen. Kritik kontert sie in Clips mit einer Prise Selbstironie: "Ob ich am Boden zerstört wäre, wenn mein Mann mich verlassen würde? Na klar, weil er dann nie wieder meine leckeren Kekse essen könnte!" Oder Christina Slonova, 120 000 Follower:innen, Expertin für "Princess Treatment": In ihren Onlinekursen verspricht sie, die "feminine Energie" in Liebesbeziehungen zu stärken und so "maskuline Energie" anzuziehen. Auch das ist kein politisches Statement, klar. Aber es erinnert an US-amerikanische Tech-Bosse wie Marc Zuckerberg, die neuerdings nach mehr "masculine energy" rufen und Frauenförderprogramme streichen wollen. "Bro Culture" und "Trad-wives" passen nicht zufällig zusammen wie zwei Puzzleteile.

Tradwives und die Verbindung zur rechten Szene

Die Videos werden milliardenfach aufgerufen. Politikwissenschaftler und Geschlechterforscherinnen fürchten: Hier kann etwas kippen, vom heimeligen Retrotrend zur bräunlichen Vergangenheitsverklärung. „Tradwife-Videos haben eine offene Flanke nach rechts“, erklärt Eva Berendsen, zuständig für politische Bildung im Netz bei der Bildungsstätte Anne Frank. „Gefährlich sind weniger einzelne Accounts als die Annahme dahinter: eine vermeintlich natürliche Ordnung der Geschlechter.“ Zudem könnten die Videos der Eingang in einen Tunnel problematischen Contents sein, mit Verschwörungstheorien und Inhalten der rechtsextremistischen Identitären Bewegung. Zwar seien nur eine Handvoll Profile so eindeutig wie etwa das von @candy.afd, die Deutschlandfahne zum Blümchenkleid trägt und ihre politische Heimat im Usernamen. Trotzdem könnten rechte Parteien vom Trad-wives-Hype profitieren, glaubt Berendsen: „Die AfD hat ein sehr gutes Gespür für Social Media, sie macht sich popkulturelle Trends geschickt für ihre Zwecke zunutze.“ Vor allem, wenn sie das eigene Weltbild so untermauern. Im Sinne des alten Sponti-Spruchs: Das Private ist politisch.

Warum suchen sich Mädchen und Frauen der Gen Z überhaupt solch konservative Role Models aus, trotz MeToo, trotz Feminismus-Revival? Lena Weber, Soziologin und Geschlechterforscherin, glaubt: Es ist die Sehnsucht nach Übersichtlichkeit. „Gerade Jugendliche sind oft anfällig für Schubladendenken: ‚Wir sagen dir, wer du bist und wo du hingehörst.‘ Das ist simpel, aber entlastet auch.“ Der gesellschaftliche Druck sei auf allen Ebenen hoch: Karriere plus Kinder plus Körperoptimierung. Dagegen klingt es vergleichsweise entspannt, dem Traumprinzen Blini zu backen, im Negligé in der offenen Küche.

Selbstbestimmung oder Abhängigkeit? Feministische Debatte

Aber der Prinzessinnentraum hat eine Kehrseite, und über die wird in den Kommentarspalten heftig gestritten. Hauptargument der Tradwife-Fraktion: Feministinnen fordern Selbstbestimmung, also dürfen sie auch nicht das selbst gewählte Vollzeit-Hausfrauendasein kritisieren. Lena Weber hält dagegen: „Ich habe kein Problem mit Stricken, Kochen oder Putzen. Aber wer sich ins Private zurückzieht, wehrt sich auch nicht gegen strukturelle Probleme, kämpft zum Beispiel nicht für bessere Kitabetreuung. Und macht sich gleichzeitig abhängig von einem Partner, finanziell und emotional.“

Die Stars der Szene haben dieses Problem weniger, viele vermarkten geschickt ihr eigenes Lebensmodell. Carolina Tolstik etwa betreibt neben ihrem Account eine Agentur für virales Marketing. Ihr Geschäftspartner ist zugleich ihr Lebenspartner, die Firma heißt nach beiden: carogiorgio.com. Klingt nach einer Beziehung auf Augenhöhe.