Schön, gesund und unerschwinglich: Warum die aktuelle "Glow-Up-Culture" eine Klassenfrage ist

Das Netz ist gerade voll davon: Glow-up-Tipps, Wellnesstrends, Gesundheitshacks. Redakteurin Hannah findet die vermeintlich gesunde Bewegung äußerst bedenklich.

Apr 29, 2025 - 20:13
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Schön, gesund und unerschwinglich: Warum die aktuelle "Glow-Up-Culture" eine Klassenfrage ist

Das Netz ist gerade voll davon: Glow-up-Tipps, Wellnesstrends, Gesundheitshacks. Redakteurin Hannah findet die vermeintlich gesunde Bewegung äußerst bedenklich.

Das Verlangen, möglichst dünn zu sein, ist nichts Neues. Schon seit dem "Heroin Chic“ der frühen 2000er-Jahre gilt: Dünnsein ist das Ideal vieler – damals wie heute. Im Netz tarnt sich dieser alte Druck hinter neuen, scheinbar harmlosen Begriffen wie "Glow-Up-Culture“ und "Clean-Girl-Lifestyle“. Versteckt in Wellness- und Gesundheitstrends wird er, meiner Meinung nach, nur noch gefährlicher. Auf Social Media wird uns täglich erklärt, wie wir unsere körperliche Gesundheit optimieren können – doch dabei übersehen wir, dass dieser Trend auf mehreren Ebenen zunehmend problematischer ist.

Wellness ist längst eine Klassenfrage

Wer glaubt, der neue Wellnesstrend beschränke sich darauf, ab und zu joggen zu gehen oder sich bewusst zu ernähren, irrt gewaltig. Um im Wellness-Game mitzuspielen, muss man heute tief in die Tasche greifen.
 Die sogenannten "Clean Girls“ und "Glow-Up-Girls“ gehen nicht einfach zum Sport. Sie buchen Reformer-Pilates-Klassen für 30 Euro pro Stunde, trinken aus 50-Euro-Stanley-Cups und tragen Leggings von Lululemon oder Alo Yoga, die gut und gerne über 100 Euro kosten. 

Es reicht also nicht mehr aus, "nur" dünn zu sein. Der Kontostand muss ebenfalls stimmen. Und ja, während ich das schreibe, sitze ich in meiner Lululemon-Leggings, schlürfe einen Matcha Latte und habe mich heute Morgen um acht Uhr selbst zum Reformer Pilates geschleppt. Aber genau deshalb wird mir immer bewusster: Wir müssen uns darüber im Klaren sein, wie sehr diese Trends soziale Spaltungen vertiefen und wie wenig sie tatsächlich mit echter Gesundheit zu tun haben. Die Klassenfrage wird im Zuge des Wellness-Trends immer lauter, denn er verkauft keine Gesundheit, er verkauft Status.

Dünn und privilegiert: Die Gesundheitsnorm auf Social Media

Schaut man sich die Glow-Up-Kultur genauer an, fällt schnell auf: Sie wird fast ausschließlich von weißen, dünnen – im Zweifel blonden – Frauen verkörpert. Vielfalt? Fehlanzeige. Was hier vermittelt wird, ist ein sehr einseitiges Ideal. Und während immer mehr junge Frauen versuchen, diesem Ideal zu entsprechen, verdient die Industrie dahinter natürlich kräftig mit.

Die Gesellschaft zweifelt – die Marken verdienen

Seien wir ehrlich: Den großen Marken ist diese Dynamik völlig bewusst. Sie kreieren Probleme, auf die sie gleich die passende Lösung verkaufen. Der Kreislauf ist simpel: Perfekte Menschen präsentieren auf Social Media ein angebliches Problem, sie bieten Produkte als Lösung an – und wir kaufen. 
Wären wir alle zufrieden mit uns selbst, würden einfach Sport treiben, und unser Wasser aus einer günstigen Flasche trinken, dann könnten die Unternehmen kaum Geld an uns verdienen. Und genau deswegen war es noch nie das Ziel – und wird es definitiv auch nie sein –, dass wir uns endlich einmal wohl in unserem Körper fühlen. Gestern war es Spinning, heute ist es Reformer Pilates, jetzt heißt es Glow-Up-Trend – und morgen wird es wieder einen neuen, kreativen Begriff geben, der uns einredet, dass irgendetwas nicht mit uns stimmt.

Der Blick fürs Ganze

Natürlich haben wir alle einen freien Willen. Wer kein Geld für überteuerte Gym-Klamotten und Workouts ausgeben möchte, muss das nicht tun. Aber so einfach ist es leider nicht. Der Glow-Up-Trend übt einen enormen Druck auf viele Frauen aus – und treibt nicht wenige von ihnen in Essstörungen. Seien wir mal ehrlich: Diese vermeintlichen Gesundheitstrends und die viel zu intensive Analyse unserer Körper sind doch oft nichts anderes als eine romantisierte Form von Dysmorphophobie. Das höchste Ziel bleibt: dünn sein. Dass Gesundheit viele Facetten hat – psychische, soziale, emotionale –, wird hier komplett ignoriert. Statt echter Selbstfürsorge wird uns Tag für Tag suggeriert, unser Körper müsse weiter perfektioniert werden. Doch während wir optimieren, leidet vor allem eines: unsere mentale Gesundheit. Und ganz ehrlich – eine Meditations-App, die wir mit dem Rabattcode "CleanGirl30“ vielleicht günstiger bekommen, wird das am Ende auch nicht mehr retten.