Mexiko will jetzt ebenfalls in die EU: Zwischen Vision und Realität

Der neue geopolitische Drift Seit Donald Trump erneut ins Weiße Haus zurückgekehrt ist, geraten Nordamerikas Nachbarstaaten zunehmend unter Druck. Die aggressive „America First 2.0“-Politik trifft nicht nur Europa, sondern vor allem Mexiko und Kanada. Strafzölle, Massenabschiebungen und politische Unberechenbarkeit zwingen beide Staaten zur Neuorientierung. Nachdem Kanada bereits öffentlich über einen EU-Beitritt nachdenkt, rückt nun auch Mexiko näher an Brüssel heran... Weiterlesen

Apr 8, 2025 - 14:40
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Mexiko will jetzt ebenfalls in die EU: Zwischen Vision und Realität

Mexiko will in die EU

Der neue geopolitische Drift

Seit Donald Trump erneut ins Weiße Haus zurückgekehrt ist, geraten Nordamerikas Nachbarstaaten zunehmend unter Druck. Die aggressive „America First 2.0“-Politik trifft nicht nur Europa, sondern vor allem Mexiko und Kanada. Strafzölle, Massenabschiebungen und politische Unberechenbarkeit zwingen beide Staaten zur Neuorientierung. Nachdem Kanada bereits öffentlich über einen EU-Beitritt nachdenkt, rückt nun auch Mexiko näher an Brüssel heran – mit überraschender Geschwindigkeit.

Ein alter Partner wird zum Risiko

Mexikos wirtschaftliches Rückgrat war jahrzehntelang die enge Verflechtung mit den Vereinigten Staaten. Über 80% der Exporte gehen in die USA, vor allem in die Automobil- und Elektronikindustrie. Dazu kommen über 12 Millionen Mexikaner, die in den USA leben und durch Rücküberweisungen das mexikanische Bruttoinlandsprodukt erheblich stützen.

Doch Trumps unberechenbare Zollpolitik, der Ausbau von Grenzanlagen, Massenabschiebungen und Drohungen gegen mexikanische Firmen haben das Vertrauen nachhaltig erschüttert. Die andauernden Strafzoll-Drohungen – teils eingeführt, dann wieder ausgesetzt – machen Investitionen in Mexiko riskant. Die wirtschaftliche Planungssicherheit ist dahin.

Mexiko will in die Europäische Union – EU als sicherer Hafen?

Gleichzeitig haben sich die Beziehungen zur EU in den letzten Jahren intensiviert. Bereits im Jahr 2000 wurde ein umfassendes Freihandelsabkommen mit der Union geschlossen – und 2024 umfassend modernisiert. Fast alle verbleibenden Zölle auf mexikanische Produkte wurden beseitigt. Besonders profitieren Landwirtschaft und Automobilbranche. Der Handel zwischen der EU und Mexiko hat sich in den letzten fünf Jahren fast verdoppelt. Europäische Unternehmen – insbesondere aus Deutschland, Spanien und Frankreich – investieren massiv in Mexiko.

Politische Annäherung und strategische Interessen

Seit dem Amtsantritt von Präsidentin Claudia Sheinbaum intensiviert Mexiko auch die politische Kooperation mit der EU. Ob Klimaschutz, Menschenrechte oder multilaterale Zusammenarbeit: Mexiko zeigt sich überraschend europakompatibel. Für die EU wiederum bietet Mexiko Zugang zu einem der größten Rohstoffmärkte Lateinamerikas, insbesondere zu Lithium – einem Schlüsselfaktor für die europäische Elektroindustrie.

EU-Mitgliedschaft: eine reale Option?

Auf WHUDAT wurde bereits analysiert, wie realistisch Kanadas EU-Beitritt wäre (Link). Nun stellt sich auch für Mexiko die Frage: Wäre ein Beitritt denkbar? Die Vorteile lägen auf der Hand: Mexiko bekäme Zugang zum Binnenmarkt, mehr wirtschaftliche Unabhängigkeit von den USA und könnte sich international strategisch neu aufstellen.

Doch die Hürden sind beträchtlich. Die Armutsrate ist hoch, die Infrastruktur in vielen Regionen schwach, das Pro-Kopf-Einkommen deutlich unter EU-Niveau. Kartellgewalt, Korruption und mangelnde Rechtsstaatlichkeit erschweren eine Integration. Zudem erfüllt Mexiko zentrale Standards in den Bereichen Umweltschutz, Arbeitsrecht und Justizwesen bislang nicht.

Mexiko will in die EU – Assoziierung statt Vollbeitritt

Eine vollständige EU-Mitgliedschaft Mexikos bleibt daher vorerst unwahrscheinlich. Denkbarer wäre eine assoziierte Mitgliedschaft nach dem Modell Norwegens oder der Schweiz. Damit würde Mexiko enger an den europäischen Binnenmarkt gebunden, ohne institutionelle Mitsprache. Gleichzeitig könnte sich Mexiko in strategischen Allianzen mit Kanada organisieren – als Gegengewicht zu den USA. Sollte Kanada tatsächlich der EU beitreten, wäre Mexiko nicht mehr weit entfernt.

Ein geopolitischer Wendepunkt

Die aktuelle Entwicklung markiert einen historischen Moment. Zum ersten Mal in der Geschichte scheint sich das transatlantische Bündnis neu zu ordnen – und zwar über den Atlantik hinaus. Während Großbritannien seine Rückkehr zur EU abwägt und Ungarn mit einem möglichen Ausschluss konfrontiert ist, öffnen sich Staaten jenseits Europas für eine europäische Zukunft.

Mexikos Annäherung an die EU ist dabei mehr als ein geopolitisches Manöver. Es ist ein Signal an eine Welt, die sich neu sortiert. In Zeiten globaler Unsicherheit suchen Staaten Schutz – und neue Allianzen. Ob daraus am Ende eine formale Mitgliedschaft entsteht oder nicht: Die EU und Mexiko stehen am Beginn einer neuen Phase der Zusammenarbeit.

Mexiko will jetzt ebenfalls in die EU: Zwischen Vision und Realität


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[via Clever Camel]