Xenia Brandt: Wie eine Comedienne ihre Traumata zu einem Soloprogramm verarbeitete

Was sie mal war: Eine obdachlose Jugendliche Was sie heute ist: Erzieherin und Comedian Ihre Survival-Strategie: Traumata zerlachen

May 3, 2025 - 11:55
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Xenia Brandt: Wie eine Comedienne ihre Traumata zu einem Soloprogramm verarbeitete

Was sie mal war: Eine obdachlose Jugendliche

Was sie heute ist: Erzieherin und Comedian

Ihre Survival-Strategie: Traumata zerlachen

Der Glaube an sich selbst – und Lachen: Das fällt Xenia Brandt als Erstes ein, wenn man sie fragt, was sie bisher durchs Leben gebracht hat. Heute steht die 32-Jährige als Comedienne mit einem eigenen Soloprogramm auf der Bühne. Aber bis dahin war es ein harter Weg.

Xenia Brandt: Ihr Kampf um ein selbstbestimmtes Leben

In ihrer Kindheit erlebte sie viel Gewalt. Die Mutter, so sagt sie, habe sie gedemütigt. Oft musste sie auf ihre jüngeren Geschwister aufpassen. Für die Schule blieb kaum Zeit, entsprechend schlecht waren ihre Noten. Mit 14 hielt sie es nicht mehr aus, packte einen Schlafsack und ein paar Klamotten in einen Rucksack, verließ ihre Heimat Luxemburg und haute ab nach Köln.

Sie schloss sich einer Gruppe Punks an, bettelte tagsüber um Kleingeld und schlief nachts auf der Straße, unter einer Brücke, zu Beginn auch auf dem Friedhof, weil sie sich dort sicherer fühlte. Sie machte mal hier mal da "Platte", kam so auch das erste Mal nach Hamburg, wo sie heute mit ihrem Freund lebt.

Ihre Eltern ließen sie derweil suchen, ab und zu griff die Polizei sie auf, brachte sie zurück nach Luxemburg, in ein Heim für schwer erziehbare Jugendliche, aus dem sie immer wieder weglief. In dieser Zeit hatte sie nur ein einziges Ziel: durchhalten bis zur Volljährigkeit, bis sie nicht mehr abhängig ist von der Unterschrift ihrer Eltern.

Von der Straße zum Erfolg

Und dann, nach ihrem 18. Geburtstag, machte Xenia einen großen Schritt nach dem anderen: Sie beantragte Sozialleistungen, fand einen Vermieter, der ihr samt Hund eine Wohnung überließ, holte Hauptschul- und Realschulabschluss nach. Im Anschluss begann sie eine Ausbildung zur Erzieherin. In diesem Beruf arbeitet sie bis heute: "Mit Kindern umzugehen ist das Einzige, was ich zu Hause gelernt habe", sagt sie trocken.

Und dann war da noch die Sache mit dem Schreiben. Schon in ihrer Zeit auf der Straße hatte sie damit angefangen: Musik, Gedichte, Tagebuch. So habe sie ihre Gefühle verarbeitet und auch gemerkt: "Lachen macht alles besser." Es half ihr gegen die Angst, die sie vor allem nachts hatte, draußen im Dunklen. Es half aber auch anderen: Oft habe sie Quatsch für ihre obdachlose Clique gemacht, ihre Ersatzfamilie. "Ich war schon immer die Person, zu der man geht, wenn alles scheiße ist", sagt sie. "Weil ich meistens gute Laune habe und sage: Kopf hoch, wir schaffen das schon irgendwie."

Auf der Bühne kann sie ihre "Traumata zerlachen"

Man fragt sich, woher Xenia Brandt nach all ihren schlechten Erfahrungen so viel Stärke und Selbstvertrauen hat. In ihrem Bühnen-Programm baut sie manchmal Gemeinheiten ein, die sie früher gehört hat. Etwa: "Das erste Kind ist wie der erste Pfannkuchen – völlig misslungen, aber doch zu schade, um ihn wegzuschmeißen." Zusammen mit dem Publikum lacht sie heute darüber, genau wie über ihre Zeit ohne Zuhause. Als Kind sei ihr Berufswunsch immer "reich" gewesen. "Dass ich dann später mal auf der Straße schlafe und Pfandflaschen sammle, habe ich da noch nicht geahnt."

Aufzutreten: Das hat sich Xenia Brandt lange nicht zugetraut. Bis ihr vor drei Jahren klar wurde, dass die Leute oben auf der Bühne das Gleiche machen wie sie fast schon ihr ganzes Leben: "Traumata zerlachen", nennt sie es. Das hat ihr den Mut gegeben, Bühnen in Hamburg anzuschreiben, nach Newcomer-Spots zu fragen. Vor zwei Jahren hatte sie ihren ersten Auftritt, ein paar Minuten, die gut ankamen. So folgten weitere Slots, mit mehr Zeit.

Sie möchte etwas zurückgeben

Inzwischen ist sie bei einer Dreiviertelstunde. Einmal im Monat organisiert und moderiert sie zudem ihre eigene Show: den "Corner Comedy Club" im Kulturverein Kaosk in Hamburg. Der Eintritt: eine Spende an "CaFée mit Herz", eine Organisation, die auf St. Pauli Bedürftige unter anderem mit Essen und Duschmöglichkeiten versorgt – ein Angebot, das Xenia früher jeden Tag nutzte. Jetzt möchte sie etwas zurückgeben, dem Publikum eine gute Zeit schenken – und gleichzeitig zeigen, wie man obdachlosen Menschen helfen kann. "Sprecht sie an, fragt, was sie brauchen. Und bevormundet sie nicht. Wenn sie sagen: Geld, dann gebt ihnen ein bisschen Geld. So können sie selbst entscheiden, für was sie es ausgeben."

Die wichtigste Botschaft aber verkörpert Xenia selbst: Sie hat es von der Straße weg geschafft. Dank Menschen, die ihr vertraut und geholfen haben. Und dank ihres Lebensmantras: "Mach was. Glaub an dich. Sonst macht es keiner."