Car Seat Headrest – The Scholars

Fünf Jahre nach dem viel diskutierten Making a Door Less Open kehren Car Seat Headrest mit einem Werk zurück, das wieder näher an das heranrückt, was die Band – oder besser: Will Toledo – groß gemacht hat. The Scholars ist ein Konzeptalbum, das seinen Namen ernst nimmt: Es spielt auf dem imaginären Campus der „Parnassus […]

May 2, 2025 - 09:24
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Car Seat Headrest – The Scholars

Fünf Jahre nach dem viel diskutierten Making a Door Less Open kehren Car Seat Headrest mit einem Werk zurück, das wieder näher an das heranrückt, was die Band – oder besser: Will Toledo – groß gemacht hat. The Scholars ist ein Konzeptalbum, das seinen Namen ernst nimmt: Es spielt auf dem imaginären Campus der „Parnassus University“, eine Welt voller eigenartiger Charaktere, chaotischer Beziehungen und überbordender Gedanken.

Dabei klingt das Album weder elitär noch verkopft. Stattdessen wirkt vieles erstaunlich zugänglich, fast warm; allerdings immer mit einem schrägen Blickwinkel. Die Songs sind literarisch, gespickt mit Referenzen, aber gleichzeitig melodisch und rhythmisch griffig. Man merkt: Toledo will erzählen. Aber er will auch unterhalten.

Der Opener CCF (I’m Gonna Stay With You) zeigt das sofort. Der Song beginnt mit einem simplen Klaviermotiv, welches von Bongos begleitet wird, ab und zu schneidet eine Gitarre herein. Entrückter Gesang gesellt sich irgendwann dazu, bevor der Song nach knapp zweieinhalb Minuten dann in eine klare Struktur kippt. Was zunächst wie eine psychedelische Collage beginnt, wird schnell zu einer Art Willkommensrede für das Albumuniversum. Es geht ums Bleiben, ums Festhalten, auch wenn alles unsicher ist; ein Thema, das sich durch viele Stücke zieht.

Danach rücken die Songs dichter zusammen. Devereaux fällt mit einem bittersüßen Refrain auf, während The Catastrophe (Good Luck With That, Man) die ironische Grundhaltung der Platte auf den Punkt bringt: ein überdrehtes, fast slapstickartiges Stück, das Sixties-Pop mit Indie-Drama verknüpft.

Lady Gay Approximately wirkt in diesem Kontext überraschend zurückhaltend. Der Song ist melodisch klar, rhythmisch gradlinig und fast konventionell – eher ein kurzer Stillstand als ein auffälliger Höhepunkt. Aber gerade das Unaufgeregte passt gut zwischen all die größeren Gesten ringsum.

Spannend wird es wieder im letzten Drittel. Gethsemane und Reality bereiten mit langen Spannungsbögen und fragmentierten Erzählungen den Weg für das monumentale Planet Desperation, eine 18minütige Tour de Force durch alles, was Car Seat Headrest ausmacht: Dynamikwechsel, Brüche, Pathos, Zweifel, Gitarrenwände und Momente fast rührender Klarheit. Und ja, es funktioniert.

Denn trotz der Länge und des Konzepts verliert The Scholars nie den emotionalen Faden. Anders als bei früheren Werken wirkt hier vieles besser ausbalanciert, die Band als Kollektiv greifbarer, Toledo als Erzähler fokussierter.

The Scholars ist ein vielschichtiges, verspieltes, stellenweise überraschend eingängiges Album und vielleicht das vollständigste Werk, das Car Seat Headrest bislang vorgelegt haben. Kein Geniestreich im klassischen Sinne, aber eine schlaue, unterhaltsame, manchmal berührende Platte, die ihren eigenen Kosmos schafft, irgendwo zwischen Literaturseminar, WG-Küche und Indie-Oper.


Quelle