Expertinnentipps : "Wie bitte?" – Auch das Gehör altert
Von wegen Schwerhörigkeit ist nur ein Thema für ältere Menschen. Sie beginnt oft früher, als wir denken. Die wichtigsten Infos für mehr Verständnis.

Von wegen Schwerhörigkeit ist nur ein Thema für ältere Menschen. Sie beginnt oft früher, als wir denken. Die wichtigsten Infos für mehr Verständnis.
Wieso wird das Gehör mit der Zeit schlechter?
Vereinfacht gesagt: durch Verschleiß. Mit den Jahren nutzen sich die Haarzellen im Innenohr ab und damit die Strukturen, die Schwingungen in elektrische Impulse verwandeln, sodass sie über den Hörnerv ins Gehirn gelangen. Neben einer genetischen Veranlagung können auch Ernährung, Nikotin, Durchblutungsstörungen, Medikamente und Lärm eine Rolle spielen.
"Wenn man die Hörschnecke ausrollt, sieht sie aus wie ein Schlauch, in dem entlang der gesamten Länge winzige Härchen verteilt sind", so PD Dr. Nora Weiss, Leiterin des Hörzentrums am Klinikum rechts der Isar der TU München. "Die Position dieser Haarzellen bestimmt, welche Frequenzen wir wahrnehmen: Die vorderen reagieren auf hohe, die hinteren auf tiefe Töne." Man vermutet, dass die Zellen für hohe Töne früher anfällig für Schäden sind und ältere Menschen deshalb oft zuerst Schwierigkeiten haben, hohe Töne oder leise Geräusche zu hören. Meist beginnt dieser Prozess ab etwa 50.
Und was macht Lärm mit den Ohren?
Zu einem akuten Lärmtrauma kann es bereits ab einer Lautstärke von 120 Dezibel kommen. Das entspricht der Lautstärke eines Rockkonzerts oder einer Kettensäge aus nächster Nähe. Zum Vergleich: Eine normale Unterhaltung hat in etwa 65 Dezibel. In den vergangenen Jahren wurden die Grenzen für die Lärmbelastung immer weiter nach unten korrigiert, erzählt Nora Weiss: "Mittlerweile geht man davon aus, dass regelmäßiger Lärm ab 80 Dezibel schädlich ist. Das ist schon der Fall, wenn man das Radio etwas lauter stellt."
Auch junge Menschen können dadurch schwerhörig werden, wenn sie oft in hoher Lautstärke Musik hören. Allerdings können auch genetische Faktoren oder angeborene Fehlbildungen eine Rolle spielen.
Können sich beschädigte Haarzellen wieder erholen?
Bei einer kurzfristigen Schädigung (zum Beispiel durch Infektionen) ist dies möglich. Neue Haarzellen aber bildet der Körper nicht. Deshalb sind Schäden durch Lärm, Alter oder Krankheit meist dauerhaft.
Verhindert ein Hörgerät, dass sich die Schwerhörigkeit verschlimmert?
Nein, aber es hilft, das verbleibende Hörvermögen optimal zu nutzen. "Zu Beginn kann das Tragen eines Hörgeräts ungewohnt und auch unangenehm sein", erklärt Nora Weiss. "Wer es frühzeitig nutzt, gewöhnt sich schneller daran und entwickelt eine natürliche Routine."
Und auch deswegen ist es wichtig, die kleinen Geräte zu tragen: Eine unbehandelte Schwerhörigkeit kann das Risiko einer Demenz steigern. Trotzdem verzichtet fast jede:r Dritte, dem ein Hörgerät ärztlich empfohlen wird, darauf, so eine Studie aus dem Jahr 2022. Und 19 Prozent derjenigen, die merken, dass sie schlechter hören, lassen sich gar nicht daraufhin untersuchen.
Wann ist ein Cochlea-Implantat sinnvoll?
Wenn die Hörstörung so ausgeprägt ist, dass Hörgeräte nicht mehr ausreichen. Es kommt bei schwerer bis vollständiger Innenohrschwerhörigkeit zum Einsatz, etwa bei angeborener Taubheit, fortschreitendem Hörverlust oder plötzlicher Ertaubung. "Das Implantat umgeht die beschädigten Haarzellen und leitet Schallsignale direkt an den Hörnerv weiter", so die Expertin. Besonders bei frühzeitiger Nutzung kann es nach sorgfältiger Indikationsstellung das Hören und Verstehen erheblich verbessern.
Mehr als 150 000 Deutsche erleiden jährlich einen Hörsturz. Wie kommt es dazu?
Es handelt sich um eine plötzliche, einseitige Hörminderung, bei der keine klare Ursache erkennbar ist. Dieser sogenannte idiopathische Hörsturz wird zwar häufig als Folge einer Stressreaktion erklärt, etwa ausgelöst durch emotionale Belastungen wie Trauer und Verlust oder Ängste wegen Problemen im sozialen Umfeld oder am Arbeitsplatz. "Allerdings konnte die genaue Ursache wissenschaftlich immer noch nicht erwiesen werden", sagt die Medizinerin. "Man vermutet kleine Durchblutungsstörungen."
Wie wird behandelt?
Ein leichter Hörsturz kann von selbst ausheilen. "Typischerweise wartet man deshalb, denn ein Großteil der Hörstürze bildet sich innerhalb von 24 bis 72 Stunden von selbst zurück", so Nora Weiss. Ist das nicht der Fall, ist eine Behandlung mit Kortison möglich. Entweder oral (in Tablettenform) oder als Infusion. Ist 14 Tage nach Abschluss der Behandlung keine Besserung erfolgt, kann Kortison direkt ins Mittelohr gespritzt werden.
Wie hängen Hörsturz und Tinnitus zusammen?
Beim Hörsturz werden die Schallwellen von den Haarzellen nicht mehr richtig verarbeitet. Die Hörleistung ist vermindert. Ein Tinnitus kann dann begleitend auftreten. "Er entsteht wie eine Art Phantomschmerz an der Stelle der fehlenden Frequenzen und Töne und wird stattdessen verstärkt wahrgenommen", so Medizinerin Nora Weiss.
Was hilft gegen den Ohrton?
Stille verstärkt häufig den Tinnitus. Ruhe kann sich durch beruhigende Geräusche wie das Rauschen von Wasser, etwa eines Bachs, finden lassen. Ebenso können Bewegung und Entspannung helfen, sich selbst von dem Geräusch abzulenken. Wenn gleichzeitig zum Ohrgeräusch schlechter gehört wird, ist ein Hörgerät sinnvoll. Dadurch kann auch der Tinnitus erträglicher gemacht werden. Ebenfalls belegt ist der Nutzen von Verhaltenstherapie. Mittlerweile gibt es auch eine App, deren Kosten von der Krankenkasse übernommen werden, die auf einem mehrmonatigen verhaltenstherapeutischen Programm basiert
Wie viel Reinigung braucht unser Hörorgan wirklich? – 4 Tipps
1. Weniger ist mehr
Unsere Ohren sind eigentlich selbstreinigend und transportieren Ohrenschmalz, Schmutz und Bakterien automatisch nach außen.
2. Außen mit Vorsicht
Ohrenschmalz, das äußerlich sichtbar ist, lässt sich vorsichtig mit einem feuchten Tuch entfernen.
3. Finger weg!
"Bitte keine Q-Tips benutzen", warnt HNO-Ärztin Nora Weiss. "Damit wird das Ohrenschmalz nur tiefer in den Gehörgang geschoben, und das Trommelfell kann beschädigt werden."
4. Den Profi ranlassen
Bei starker Verschmutzung oder Verstopfung kann der Arzt bzw. die Ärztin das Ohr professionell reinigen.