The Horrors – Night Life
Nach acht Jahren kreativer Pause kehren The Horrors mit Night Life zurück – einem Album, das ihre klanglichen Extreme noch weiter ausreizt. Industrial-Elemente, pulsierende Synthesizer und düstere Melodiebögen dominieren das Geschehen und erschaffen eine Atmosphäre, die gleichermaßen hypnotisch wie bedrohlich wirkt. Der Einstieg mit Ariel deutet bereits an, dass sich The Horrors hier noch weiter […]

Nach acht Jahren kreativer Pause kehren The Horrors mit Night Life zurück – einem Album, das ihre klanglichen Extreme noch weiter ausreizt. Industrial-Elemente, pulsierende Synthesizer und düstere Melodiebögen dominieren das Geschehen und erschaffen eine Atmosphäre, die gleichermaßen hypnotisch wie bedrohlich wirkt.
Der Einstieg mit Ariel deutet bereits an, dass sich The Horrors hier noch weiter von klassischen Songstrukturen verabschieden. Die Synthesizer flirren, der Bass schiebt sich langsam in den Vordergrund, während Faris Badwans Stimme distanziert und unnahbar bleibt.
Besonders auffällig ist The Feeling Is Gone, welches mich stark an Depeche Mode erinnert und mich beim ersten Hören nur darauf warten ließ, dass gleich Dave Gahan die Vocals übernehmen würde. Der Song lebt von seinen düsteren Synthesizern, der treibenden Percussion und einer unterkühlten Melodie, die sich langsam entfaltet – ein atmosphärischer Balanceakt.
Diese Balance zwischen Bedrohlichkeit und Schönheit zieht sich durch das gesamte Album. Silent Sister entwickelt mit seinen flirrenden Effekten und dem unterkühlten Gesang eine beklemmende Intensität, während The Silence That Remains mit seiner famosen Bassline und den eindringlichen Drums das Gefühl eines nicht greifbaren Unheils einfängt.
Doch nicht alles auf Night Life ist reine Düsternis. Lotus Eater wagt sich in elektronische Gefilde und erinnert mit seinen rhythmischen Loops fast an eine Mischung aus Underworld und Nine Inch Nails. Die Band spielt hier mit Kontrasten: Während die Instrumentals pulsieren und treiben, bleibt Badwans Gesang oft merkwürdig entrückt, als würde er das Geschehen von außen betrachten.
LA Runaway hingegen weckt mit seinen verhallten Gitarren und der flirrenden Synth-Atmosphäre Erinnerungen an nächtliche Autofahrten durch verlassene Stadtlandschaften. Ganz klar der gradlinigste Song des Album und neben The Silence That Remains der zweite große Hit.
Die wohl größte Stärke von Night Life liegt in seiner Unberechenbarkeit. Kaum ein Song bleibt dort, wo er beginnt – Strukturen lösen sich auf, Rhythmen brechen auseinander und setzen sich neu zusammen. Das macht das Album stellenweise zu einer Herausforderung, aber auch zu einem Werk, das sich erst mit der Zeit vollständig erschließt. Während frühere Horrors-Alben oft durch ihre klare Handschrift bestachen, ist hier alles fließend, wandelbar und voller Überraschungen.
Man könnte Night Life als Album zwischen Welten betrachten: Weder reine Rückkehr zu den Wurzeln noch völlige Neuerfindung, sondern eine Sammlung von Momentaufnahmen, die mal unterkühlt, mal euphorisch wirken. Wer bereit ist, sich auf den dunklen Sog von Night Life einzulassen, wird mit einer ebenso verstörenden wie faszinierenden Erfahrung belohnt.