Psychologie: Dieser Faktor ist entscheidend, damit soziale Kontakte uns wirklich guttun
Wie viel wir unter Menschen sein mögen und wie viel Zeit wir lieber alleine verbringen, ist ganz unterschiedlich. Aber die Wissenschaft ist sich einig, dass wir regelmäßig Kontakt zu anderen brauchen, um zufrieden und gesund zu sein. Wie der am besten aussieht, zeigen aktuelle Studien.

Wie viel wir unter Menschen sein mögen und wie viel Zeit wir lieber alleine verbringen, ist ganz unterschiedlich. Aber die Wissenschaft ist sich einig, dass wir regelmäßig Kontakt zu anderen brauchen, um zufrieden und gesund zu sein. Wie der am besten aussieht, zeigen aktuelle Studien.
Introvertierte Menschen laden ihre Akkus vor allem durch Zeit allein auf, während extrovertierte Personen Energie gewinnen, indem sie mit anderen zusammen sind. Aber auch als Introvertierte brauchen wir soziale Interaktionen. Ja, vermutlich weniger als eher extrovertierte Menschen und am besten in einem ruhigen Setting und in kleineren Gruppen und nicht jede Woche auf drei großen Partys. Aber, und das bestätigt die Wissenschaft immer wieder, uns geht es nicht gut, wenn wir gar keine Verbindungen zu anderen haben.
Aufschlussreiche Studie zu sozialen Beziehungen
Aber wie sollten diesen Verbindungen am besten aussehen? Wie gestalten wir unser Sozialleben so, dass es uns damit möglichst gut geht und unser Wohlbefinden davon profitiert? Mit diesen Fragen hat sich eine Studie unter der Leitung des chinesischen Psychologen Liuquing Wei auseinandergesetzt, bei der Daten von mehr als 22.000 Menschen aus mehr als 300 Regionen in China ausgewertet wurden.
Den Teilnehmenden wurden Aussagen vorgelegt wie "Die Menschen in meinem direkten Umfeld haben viele Möglichkeiten, andere kennenzulernen" oder "Auch wenn die Leute nicht zufrieden wären mit ihren aktuellen Beziehungen, hätten sie keine andere Wahl, als dabeizubleiben", und sie sollten diesen zustimmen oder sie verneinen.
Basierend auf den Antworten der Personen konnte das Forschungsteam zeigen, wie groß die sogenannte soziale Mobilität in der jeweiligen Region war – also wie leicht Menschen dort Beziehungen knüpfen, wie leicht sie diese aber auch wieder lösen können.
Soziale Mobilität ist entscheidend
Herauskam, dass ein stabiles soziales Umfeld wichtig für unsere Lebenszufriedenheit ist, zu viel Kontakt unserem Wohlbefinden aber auch schaden kann. Entscheidend ist hier offenbar nicht nur, ob und wie viele, sondern vor allem wie wir unsere Beziehungen führen. Menschen, die in Regionen mit einer hohen sozialen Mobilität leben, sind laut der Forschungsarbeit glücklicher als andere. Das heißt: Wie frei wir uns entscheiden können, mit wem wir Kontakt haben und wie viel, entscheidet, wie zufrieden uns dieser Kontakt macht.
Dieser Effekt zeigte sich aber nicht nur in China, sondern auch in den Daten von fast 75.000 Menschen aus 30 Ländern mit 34 verschiedenen Kulturen, die Fachleute zusätzlich analysiert haben. Die Menschen in Mexiko zeigten sich hier am sozial mobilsten und zugleich glücklichsten, gefolgt von Puerto Rico, Venezuela und Frankreich. Am wenigsten sozial flexibel – und am wenigsten zufrieden – waren die Menschen in Japan, Malaysia und Ungarn. Deutschland lag bei beiden Metriken ziemlich genau in der Mitte.
Wie viel Kontakt wir zu wie vielen Menschen regelmäßig halten können und wollen, ist sehr individuell. Olga Stavrova ist Psychologin an der Universität Lübeck. Sie hat sich genau dieses Themas angenommen und mit der "Zeit" darüber gesprochen: "Es heißt ständig, sozialer Kontakt tut gut", erklärt sie. "Aber niemand hat sich angeschaut, ob mehr davon wirklich immer besser ist oder vielleicht sogar schadet."
Familie und Freunde in Maßen: So viel Kontakt ist wirklich gesund
Gemäß ihrer Forschung gibt es eine optimale Dosis an Freizeittreffen mit Freund:innen, Verwandten oder Kolleg:innen: und zwar einmal pro Monat. "Das klingt nach wenig, aber das ist ja nicht der einzige soziale Kontakt", sagt die Psychologin. "Dazu kommen noch die ganzen Textnachrichten und Telefonate, Arbeitsmeetings mit Kollegen und Abendessen mit der Familie."
Sehen wir die Menschen in unserem Leben öfter, kann das unserer Gesundheit offenbar sogar schaden. So fand Stavrora auf Basis von Daten von fast 50.000 Teilnehmenden aus Deutschland heraus, dass Menschen, die ihre Verwandten häufiger als einmal pro Monat sehen, später weniger gesund waren. Wer Familienmitglieder täglich sah, schadete der eigenen Gesundheit offenbar genauso stark, wie sie gar nicht zu sehen (hier waren Mitglieder des eigenen Haushalts ausgenommen). Menschen, die ihre Freundinnen oder Kollegen häufiger sahen, waren allerdings nicht weniger gesund, dieser Effekt zeigte sich nur bei der Familie.
"Zu viel Sozialkontakt kann auch stressig sein, besonders wenn er mit Konflikten verbunden ist, und das kann auf die Gesundheit schlagen", fasst Olga Stavrova zusammen. "Das Risiko dafür ist in der Familie höher. Außerdem gibt es dort mehr Verpflichtungen, man kann nicht so leicht raus aus den Beziehungen."
Was wiederum das Ergebnis der chinesischen Studie bestätigt: Wie frei wir unsere sozialen Kontakte und die Menschen in unserem Leben wählen können, beeinflusst stark, wie gut uns diese Beziehungen tun. Es gibt also keinen Grund, sich unter Druck gesetzt zu fühlen, dass wir jede Woche zwei oder drei Verabredungen wahrnehmen sollten. Vielmehr sollten wir schauen, welche Menschen uns wirklich guttun – und wie oft wir sie tatsächlich sehen möchten.