FemTechs: "The Blood" – Warum gibt es das nicht längst?
Femtech-Start-ups stellen Frauengesundheit ins Zentrum und wollen Datenlücken schließen. Aber es regt sich auch Kritik.

Femtech-Start-ups stellen Frauengesundheit ins Zentrum und wollen Datenlücken schließen. Aber es regt sich auch Kritik.
Falls das möglich wäre, hätte es doch längst jemand gemacht. Das ist eine Reaktion, die Miriam Santer oft hört. Neben der kritischen gibt es nicht weniger häufig die verblüffte Variante: "Warum gibt es das nicht längst?"
FemTechs: Menstruationsblut als Informationsquelle
Das, was sie und Co-Gründerin Isabelle Guenou vorhaben, ist beides: absolutes Neuland und gleichzeitig naheliegend. Ihr Start-up "The Blood" widmet sich nämlich einer Substanz, die bisher als reines Abfallprodukt galt: Menstruationsblut. Aber warum nicht etwas, das alle vier Wochen von selbst anfällt, als Informationsquelle nutzen, um mehr über den weiblichen Körper zu erfahren?
Tatsächlich kennt man bis heute nicht einmal die genaue Zusammensetzung des Gemischs aus verdünntem Blut, Gebärmutterschleimhaut, Vaginalsekret und Bakterien. "Es gibt kaum Forschung in diesem Bereich, keinerlei Expertinnen, herkömmliche Laborgeräte sind für die dickflüssigere Flüssigkeit nicht konzipiert", sagt Miriam Santer. "Wir mussten wirklich bei null anfangen und bis heute ist vieles Learning by Doing."
Vielfältiges Angebot, wachsende Branche
"The Blood" ist eins von unzähligen Femtech-Start-ups, die die Gesundheit von Frauen mit technischen oder Software-Lösungen verbessern wollen. Die Branche wächst rasant. Auf bis zu 55 Milliarden US-Dollar wird der weltweite Femtech-Markt geschätzt, bis 2030 soll sich dieser Wert verdoppeln.
Das Angebot ist vielfältig: Periodenunterwäsche, Nahrungsergänzungsmittel gegen PMS oder Hitzewallungen, Apps für Frauen in den Wechseljahren, mit Kinderwunsch oder Brustkrebs, Fruchtbarkeits- und Zyklustracker. Manches geht stark in den Lifestyle-Bereich, manches wirkt fast, als wäre die Mission, den Gender Data Gap zu schließen, eher Marketing, manches sind echte technologische Innovationen.
"Femtech ist eine wirklich tolle Bewegung und generell lässt sich sagen, dass sie die Medizin fairer macht", sagt Dr. Carina Vorisek, Medizinerin und Expertin für digitale Medizin am Berlin Institute of Health. Alles, was Daten von Frauen sammle und dann auch entsprechend nutze, könne schließlich helfen, den Gender Health Gap zu schließen. Gleichzeitig gäbe es aber auch Kritik.
Sexismus in der Gründerwelt
Denn auch wenn 70 Prozent der Start-ups von Frauen (mit-)gegründet werden, erhalten männlich geführte trotzdem mehr Finanzierungskapital. Einen gewissen Sexismus der wiederum überwiegend männlichen Investoren scheint es also auch hier zu geben. Außerdem bedienen die allermeisten Angebote bisher den klassischen Bereich der Frauengesundheit: Menstruation und Fruchtbarkeit.
Große Lücken bestehen aber auch bei Erkrankungen, die beide Geschlechter betreffen. "Ein tolles Beispiel aus diesem Bereich ist ein BH mit Sensoren, die kontinuierlich die Herzaktivität überwachen und die Daten an eine App übermitteln", sagt Carina Vorisek. Noch ist der BH nicht marktreif, aber er könnte nicht nur Frauen nach einem Herzinfarkt helfen, indem er ein erneutes kritisches Ereignis frühzeitig erkennt, sondern auch fehlendes Wissen über die weibliche Biologie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen liefern.
"Die Zeit zum Gründen ist momentan gut, weil das Thema viel Aufmerksamkeit bekommt“, sagt Miriam Santer. Von der ersten Förderung, die "The Blood" erhielt, stellten sie eine Molekularbiologin als wissenschaftliche Leiterin ein, inzwischen arbeiten sie mit verschiedenen Kliniken zusammen. Erste Hinweise, dass sich im Menstruationsblut Marker für Endometriose finden lassen, gibt es bereits. Das könnte die Diagnose der Erkrankung, auf die Frauen aktuell durchschnittlich siebeneinhalb Jahre warten, enorm erleichtern, ist aber noch Zukunftsmusik. In diesem Jahr soll zumindest der erste Menstruationsblut-Test auf den Markt kommen. Die Probe wird selbst mit einem speziellen Tampon entnommen und soll dann im Labor auf den Spiegel weiblicher Hormone und verschiedener Vitamine untersucht werden.