Bernd Knauer und die Kieler Straßengangs der 90er – Youtuber reagiert auf die Kult-Doku „Youth Wars“

Die 1991 von Regisseur Karl Siebig gedrehte Spiegel TV-Dokumentation „Youth Wars – Beobachtungen in der deutschen Provinz“ hat Kultstatus erreicht. Der 53-minütige Film (ebenfalls hier unten eingebunden) zeigt die raue Welt der Kieler Straßengangs zu Beginn der 90er Jahre. Geprägt von Alkohol, Gewalt und martialischen Namen wie „Kneipenterroristen“, „Blue Brothers“, „Mad Dogs“ oder „Tigers“. Besonders im Fokus steht Bernd Knauer,... Weiterlesen

May 16, 2025 - 21:26
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Bernd Knauer und die Kieler Straßengangs der 90er – Youtuber reagiert auf die Kult-Doku „Youth Wars“

Bernd Knauer

Die 1991 von Regisseur Karl Siebig gedrehte Spiegel TV-Dokumentation „Youth Wars – Beobachtungen in der deutschen Provinz“ hat Kultstatus erreicht. Der 53-minütige Film (ebenfalls hier unten eingebunden) zeigt die raue Welt der Kieler Straßengangs zu Beginn der 90er Jahre. Geprägt von Alkohol, Gewalt und martialischen Namen wie „Kneipenterroristen“, „Blue Brothers“, „Mad Dogs“ oder „Tigers“. Besonders im Fokus steht Bernd Knauer, Mitglied der „Kneipenterroristen“, dessen markante Szenen – inklusive einer Vogelspinne und norddeutschem Slang – ihn zur Ikone der Doku gemacht haben. Ein Reaction-Video des Youtubers TryMacs belebt die Faszination für diese Zeitreise neu und bringt die Absurdität und Tragik dieser Subkultur auf den Punkt. Dazu teile ich eine persönliche Anekdote aus meiner Jugend in Kiel, die die Stimmung dieser Ära einfängt.

TryMacs reagiert: Zwischen Faszination und Fassungslosigkeit

Im Reaction-Video nimmt TryMacs (Youtube) die Zuschauer mit auf eine emotionale Achterbahnfahrt. Schon die ersten Clips der Doku lösen ungläubiges Staunen aus: „Das ist so krass, das kannst du dir nicht ausdenken!“ Die Szenen, in denen die „Kneipenterroristen“ besoffen mit Gaspistolen ein Hochseeangelschiff in Laboe überfallen oder sich gegenseitig mit Pfefferspray beschießen, kommentiert er mit einer Mischung aus Humor und Schock: „Die ballern sich gegenseitig ins Gesicht und rennen nach Hause – das ist doch Kinderkram!“ Besonders die Langsamkeit der Dialoge, die Frisuren und die allgegenwärtigen Dosenbiere faszinieren ihn: „Die Couch, der Fliesentisch, die Vogelspinne im Hintergrund – alles krass!“

TryMacs zieht Parallelen zu anderen Kult-Dokus wie der „Penny-Doku“ über Jugendliche in Ostdeutschland, hebt aber hervor, dass „Youth Wars“ (wiki) durch ihre Authentizität und die absurde Brutalität besticht. Er analysiert die Motivation der Gangs: „Die Langeweile treibt die dazu. Die saufen, weils nichts anderes gibt, und die Gemeinschaft gibt ihnen das, was die Gesellschaft ihnen verweigert.“ Dennoch bleibt er kritisch: „Warum gibt’s in einem Urlaubsort wie Laboe Gangs? Das ist doch irre!“

Bernd Knauer: Der unvergessliche „Kneipenterrorist“

Bernd Knauer, der Hauptprotagonist der Doku, ist das Herzstück des Films. Mit seiner Vogelspinne, die er stolz präsentiert („Die ist arschschnell, wenn sie hungrig ist!“), und seinem ungeschliffenen Charme wurde er zur Kultfigur. Seine Sätze wie „Normal, Vogelspinne, ich hab sie billig gekriegt!“ sind längst Internet-Memes, und es gibt sogar einen Klingelton mit seinem Spruch. Knauer, damals arbeitslos und tief in der Kieler Subkultur verwurzelt, verkörpert die Mischung aus Prahlerei, Verzweiflung und Naivität. TryMacs ist fasziniert von Knauers Präsenz: „Jeder Satz ist ein random Zitat, der Typ ist ein Meme!“

Tragisch ist Knauers Schicksal: Wie der Regisseur Karl Siebig in einem Interview erwähnt, wurde Knauer später weltweit gesucht und verschwand spurlos. „Wir haben ihn gesucht, aber er war wie vom Erdboden verschluckt“, so Siebig. Ende 2017 ist er dann im Alter von nur 52 Jahren verstorben, er gab noch ein letztes Interview. Knauers Geschichte zeigt die Zerbrechlichkeit dieser Jugendlichen, die in einer Welt aus Alkohol und Gewalt gefangen waren. Dennoch betont Siebig: „Das waren keine Idioten. Unter anderen Umständen hätten sie ein anderes Leben geführt.“

Persönliche Anekdote: Meine Jugend in Kiel-Mettenhof

Zur Zeit der Doku lebte ich selbst in Kiel, genauer gesagt in Mettenhof, und machte meine ersten Erfahrungen im Kieler Nachtleben. Die Straßengangs wie die „Tigers“ oder „Kneipenterroristen“ waren uns bekannt – und gefürchtet. Wir, eine Gruppe von Freunden, gründeten spaßeshalber unsere eigene „Gang“, die „Paderborner Ruler“, benannt nach dem Paderborner Export-Bier und dem C64-Jargon, wo „rule“ für „cool“ stand. Als Popper waren wir das Gegenteil der eher asozialen Gangs: gepflegt, mit bunten Collage-Jacken und Frisuren wie die „New Kids On The Block“. Gewalt lehnten wir ab, doch die Angst vor den Gangs war allgegenwärtig, besonders wenn wir ins Stadtzentrum oder in unseren Stammclub Ströhemann fuhren.

Einmal wurden wir von einem „Tigers“-Mitglied bedroht, das mit einer Waffe „Guten Abend“ forderte – wir gehorchten aus Angst. Ein anderes Mal wurden wir im Bus von drei „Tigers“ angegriffen; einige von uns kassierten Schläge, einfach so. Auch die Neonazi-Szene war präsent. Ein Erlebnis mit Rolf Pohle, einem bekannten Neonazi aus der Doku, bleibt unvergesslich: Nach einer Flucht vor der Mettenhofer Gang „Mad Butchers“ landete ich mit einem Außenbandriss im Krankenhaus. Dort traf ich Pohle, der ebenfalls verletzt eingeliefert wurde. Betrunken schrie er im Zimmer herum, doch nüchtern war er überraschend höflich. Seine Nazi-Freunde brachten Bier und wir warfen leere Dosen in einen vermeintlichen Müllschlucker – der sich als Wäscheschacht entpuppte. Eine Pflegerin bekam den stinkenden Sack voller Kippen und Bierdosen an den Rücken. Solche Szenen spiegeln die absurde Normalität dieser Zeit wider.

Die Faszination von „Youth Wars“

Die Doku fängt die Trostlosigkeit und den Zusammenhalt der Kieler Jugendkultur ein. TryMacs betont die Authentizität: „Nichts ist gefaked, das ist pure Realität.“ Die Szenen von besoffenen Jugendlichen, die mit Baseballschlägern und Gaspistolen aufeinander losgehen, wirken heute fast surreal. Besonders verstörend sind die rechtsextremen Aussagen einiger Gang-Mitglieder, wie der Türkenhass der „Blue Brothers“. TryMacs reagiert entsetzt: „Das geht so doch nicht!“ Dennoch sieht er die Tragik: „Die waren verloren in einer Welt ohne Perspektive.“

Die von Alkohol und Langeweile geprägte Subkultur zeigt, wie Jugendliche in einer Zeit ohne soziale Aufstiegschancen Gemeinschaft suchten – oft auf destruktive Weise. TryMacs fasst es treffend zusammen: „Die Doku ist Kulturgut. Sie zeigt, wie krass die 90er in Kiel waren.“

Fazit: Ein Zeitdokument mit Kultstatus

„Youth Wars“ ist mehr als eine Doku – sie ist ein Fenster in eine verlorene Welt. Bernd Knauers unvergessliche Szenen zeigen, warum der Film auch 2025 noch fasziniert. Meine eigenen Erlebnisse in Kiel unterstreichen die Authentizität dieser Zeit: Eine Mischung aus Angst, Absurdität und jugendlichem Übermut. Wie Karl Siebig sagt: „Es war eine Zeit, in der sich niemand um diese Jugendlichen kümmerte.“ Hier unten seht ihr das gesamt Video und auch noch einmal „Youth Wars“ in voller Länge – Kiel Ahoi!

Bernd Knauer und die Kieler Straßengangs der 90er – Youtuber reagiert auf die Kult-Doku „Youth Wars“

Youth Wars (Kieler Straßengangs) komplett – R.I.P. Bernd Knauer