Speedwatching: Das macht es mit unserem Gehirn, Dinge in doppelter Geschwindigkeit abzuspielen
1,5-fach oder gleich doppelte Geschwindigkeit: Immer mehr Medien, von WhatsApp über Podcasts bis hin zu Netflix, geben uns inzwischen die Option, Inhalte schneller abzuspielen, als sie aufgenommen wurden. Was passiert beim Speedwatching in unserem Gehirn?

1,5-fach oder gleich doppelte Geschwindigkeit: Immer mehr Medien, von WhatsApp über Podcasts bis hin zu Netflix, geben uns inzwischen die Option, Inhalte schneller abzuspielen, als sie aufgenommen wurden. Was passiert beim Speedwatching in unserem Gehirn?
Mal wieder eine 20 Minuten lange Sprachnachricht von der besten Freundin bekommen? In unserem vollen Alltag haben wir selten Zeit, uns eine so ausufernde Voicenote in aller Ruhe anzuhören. Spielen wir sie in 1,5-facher oder doppelter Geschwindigkeit ab, sparen wir eine Menge Zeit. Aber was macht es mit unserem Gehirn, wenn wir uns Nachrichten oder Hörbücher beschleunigt anhören oder TikTok-Videos doppelt so schnell anschauen?
Speedwatching: Das sagt die Forschung dazu
Mit dieser Fragestellung rund um das sogenannte Speedwatching haben sich schon diverse Forschungsteams beschäftigt. Bei einer Studie dazu kam etwa heraus, dass Studierende, die sich Vorlesungen auf Video in erhöhter Geschwindigkeit ansahen, die Inhalte genauso gut im Gedächtnis speichern konnten wie diejenigen, die sie in regulärem Tempo konsumierten. Das galt allerdings nur bis zu einer maximal zweifachen Geschwindigkeit.
Eine andere Untersuchung unter Studierenden hat sogar ergeben, dass Personen bessere Noten schrieben, wenn sie sich in der Vorbereitung die Vorlesungen in erhöhter Geschwindigkeit ansahen.
Aber womit hängt das zusammen? Warum können wir uns Dinge offenbar sogar besser merken, wenn wir sie in erhöhtem Tempo hören oder sehen? Der Hirnforscher Martin Korte hat dazu eine klare Einschätzung: "Meine Interpretation ist, dass das schnellere Abspielen die Studenten zwingt, sich besser auf das zu konzentrieren, was sie sehen und hören", erklärt er dazu gegenüber der "Zeit". "Oft gibt es die Tendenz, dass der Blick auf den zweiten Bildschirm geht, auf das Smartphone." Speedwatching erfordere ein höheres Maß an Konzentration und Aufmerksamkeit, und das könne helfen, Informationen besser zu verarbeiten.
Verbessert die erhöhte Geschwindigkeit in Wahrheit unsere Aufmerksamkeit?
Derselbe Effekt könnte auch bei Hörbüchern, YouTube-Videos oder eben Sprachnachrichten zum Tragen kommen: Erhöhen wir das Tempo des Abspielens, müssen wir damit stärker bei der Sache sein, weil unsere volle Konzentration nötig ist, um das Gesagte wirklich zu begreifen und zu verarbeiten. Was also den Ruf hat, unsere Aufmerksamkeitsspanne zu verschlechtern, könnte sie in Wahrheit sogar verbessern.
Dieser Speedwatching-Effekt hat allerdings auch seine Grenzen. Denn wolle man wirklich tief über das Gesagte nachdenken, auch mal Dinge hinterfragen, so der Neurobiologe Korte, brauche es eher eine normale Sprechgeschwindigkeit.
Es kommt also auf unser Ziel hinsichtlich der Inhalte an, die wir konsumieren. Wollen wir nur schlicht und einfach die genannten Infos aufnehmen, um sie später abrufen zu können, kann die erhöhte Geschwindigkeit uns dabei womöglich helfen. Aber wollen wir über das, was unsere Freundin uns in ihrer Sprachnachricht erzählt, nachdenken und es reflektieren, sollten wir vermutlich lieber das klassische einfache Abspieltempo wählen.
Darüber hinaus kommt es natürlich auch auf die persönliche Präferenz an. Schließlich denken nicht alle Menschen beziehungsweise alle Gehirne gleich schnell. Und wenn es für die eine Person sehr befriedigend sein mag, etwas in doppelter Geschwindigkeit anzuhören und die entsprechenden Infos mit weniger Zeitaufwand zu bekommen, könnte es jemand anderen eher stressen. Ein Richtig oder Falsch gibt es beim Thema Speedwatching also nicht, aber die Forschungsergebnisse zur verbesserten Aufnahme sind dennoch spannend und zeigen einmal mehr, wozu unser Gehirn in der Lage ist.