Floodlighting: Was hinter dem Dating-Phänomen steckt

Fühlst du dich bei Dates manchmal überwältigt? Floodlighting könnte der Grund sein. Was das bedeutet und wie du damit umgehen kannst.

Apr 23, 2025 - 16:05
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Floodlighting: Was hinter dem Dating-Phänomen steckt

Fühlst du dich bei Dates manchmal überwältigt? Floodlighting könnte der Grund sein. Was das bedeutet und wie du damit umgehen kannst.

In der Welt des Datings gibt es immer wieder neue Begriffe und Trends, die uns helfen wollen, die komplexen Dynamiken zwischenmenschlicher Beziehungen besser zu verstehen. Ein Trend, der insbesondere in den Sozialen Medien immer mehr Aufmerksamkeit erhält, ist das sogenannte Floodlighting

Was genau verbirgt sich hinter dem Begriff? Und ist das Verhalten problematisch? Wir haben dazu mit Stella Schultner gesprochen. Sie ist Expertin für Dating, Liebe und Beziehungen und Mitglied des "Parship"-Expert:innen-Teams.

Was ist Floodlighting?

Der Begriff "Floodlighting" leitet sich von dem englischen Wort "floodlight" ab, was so viel bedeutet wie Flutlicht oder Scheinwerfer. Er beschreibt das Phänomen, intime Details, traumatische Erlebnisse oder tiefe Ängste bereits bei den ersten Dates ungefragt preiszugeben – sie quasi ins Rampenlicht zu stellen. Was zunächst wie mutige Verletzlichkeit wirkt, entpuppt sich oft als manipulative Strategie, die emotionale Nähe erzwingen soll. 

"Floodlighting kann ein trügerisches Gefühl von Intimität erzeugen. Wenn wir sehr früh sehr viel Persönliches teilen, wirkt das zunächst verbindend, aber oft fehlt das stabile Fundament. Die Nähe entsteht aus vielen sehr intimen Informationen, die man zu schnell und konzentriert erhält. Das Gefühl kommt oft gar nicht so schnell mit. Gesunde Intimität wächst Schritt für Schritt. Sie braucht gegenseitige Offenheit, aber auch emotionale Sicherheit und Raum", erklärt Schultner.

Der Begriff "Floodlighting" stammt aus der Populärpsychologie und wird vor allem in Medien, Dating-Ratgebern und von Beziehungsexpert:innen diskutiert. Es gibt derzeit aber keine wissenschaftlichen Studien, die sich explizit mit den Auswirkungen von Floodlighting auf Beziehungen beschäftigen. Bisherige Einschätzungen beruhen daher auf Erfahrungsberichten, Expert:innenmeinungen und psychologischen Grundannahmen

Woran erkennt man Floodlighting?

Als typisches Anzeichen für Floodlighting nennt die Dating-Expertin das Gefühl, sehr intime Details über eine andere Person zu kennen, ohne sich ihr wirklich nah zu fühlen. "Statt echter Verbindung entsteht häufig Überforderung, emotionale Distanz oder ein diffuses Unbehagen." 

Vier Beispiele:

  • Dein Gegenüber erzählt dir bereits beim ersten Date von familiären Traumata, psychischen Problemen oder toxischen Ex-Beziehungen – noch bevor ihr über Hobbys oder Lieblingsserien sprecht. 
  • Die Beziehung wirkt plötzlich ernsthafter, als es der tatsächlichen Kennenlernphase entspricht. Eure Verbindung fühlt sich unnatürlich schnell tief an, obwohl ihr euch kaum kennt.
  • Die Person analysiert genau, wie du auf die Enthüllungen reagierst.
  • Dein Gegenüber dominiert das Gespräch mit persönlichen Geschichten, ohne echtes Interesse an deinen Erfahrungen zu zeigen. 

Ist Floodlighting problematisch?

Floodlighting simuliert Nähe, ohne echtes Vertrauen aufzubauen. Statt einer gesunden Beziehung, kann ein toxisches Machtgefälle entstehen: Die eine Person wird zum emotionalen Mülleimer, die andere übt Kontrolle über das Tempo der Intimität aus. Es ist ein Warnsignal, wenn jemand deine Empathie testet, statt gemeinsam eine stabile Basis aufzubauen.

 "Jede Beziehung ist anders und auch jede Dynamik verläuft individuell. Schwierig wird es vor allem dann, wenn sich eine Person durch die Offenheit des anderen überfordert fühlt oder sogar ungewollt in eine Therapeutenrolle gedrängt wird. Das kann zu einem emotionalen Ungleichgewicht führen und die Verbindung belasten", meint Schultner. 

Gleichzeitig warnt sie: "In toxischen Beziehungen kann es passieren, dass ein vollkommen normales Bedürfnis nach Nähe und ehrlichem Austausch als zu viel abgewertet wird, nicht weil es tatsächlich übergriffig ist, sondern weil der andere Teil sich nicht auf gesunde Weise öffnen kann oder will. Hier ist Differenzierung wichtig: Geht es wirklich um ein Zuviel oder trifft einfach nur gesunde Offenheit auf emotionale Unverfügbarkeit?"

Welche psychologischen Gründe führen zu Floodlighting?

Floodlighting entsteht durch eine Kombination aus Unsicherheit, Kontrollbedürfnis und fehlenden Grenzen. Insbesondere Bindungsangst oder Angst vor Ablehnung können häufige Gründe für dieses Verhalten sein. Das bestätigt auch Stella Schultner: "In der frühen Kennenlernphase geben viele Menschen sehr persönliche Dinge preis, oft schneller, als es ihnen später lieb ist. Dahinter steckt häufig die Angst vor Ablehnung. Indem wir uns ganz zeigen, testen wir unbewusst: Bin ich so okay, wie ich bin? Wird mein Gegenüber bleiben, trotz meiner Wunden? Dieses schnelle Öffnen ist oft ein Versuch, Sicherheit herzustellen." 

Floodlighting muss also nicht immer mutwillig geschehen. Betroffene können manchmal nicht einschätzen, welche Themen in frühen Beziehungsphasen angemessen sind, und überschreiten Grenzen unbewusst. "Beim sogenannten Oversharing fehlt innerlich der Filter, das zeigt sich etwa bei Menschen mit ADHS oder emotional instabiler Persönlichkeitsstruktur, zum Beispiel Borderline. Sie berichten, dass sie impulsiv sehr viel erzählen und im Nachhinein unter Scham oder Rückzug leiden."

Wie kann ich mich vor Floodlighting schützen?

  • Grenzen setzen: Reagiere freundlich, aber bestimmt. "Ich möchte dich besser kennenlernen, aber solche Themen brauchen Zeit."
  • Tempo kontrollieren: Echte Verbindung entsteht schrittweise. Kein:e seriöse:r Partner:in drängt zu Frühintimität. Small Talk und gemeinsames Lachen sind ebenso wichtig wie tiefe Gespräche.
  • Ungleichgewicht ansprechen: Frage nach: "Warum erzählst du mir das jetzt schon? Ich fühle mich damit überfordert."
  • Motivation hinterfragen: Falls du selbst zum Floodlighting neigst, frage dich: "Teile ich dies, um Nähe zu erzwingen – oder aus echtem Vertrauen?"
  • Reaktionen beobachten: Achte darauf, ob dein Gegenüber überfordert wirkt und passe dein Verhalten an.
  • Unbehagen akzeptieren: Überforderung oder Druckgefühl sind legitime Gründe, das Date zu beenden oder klare Limits zu setzen. 

Fragen, die du stellen kannst, um Floodlighter zu enttarnen

Du hast das Gefühl, es mit einem Floodlighter zu tun zu haben? Kein Grund, kommentarlos aufzuspringen und das Weite zu suchen. Wenn dir danach ist, kannst du dein Gegenüber auf das Ungleichgewicht ansprechen

"Wird ein Gespräch als zu persönlich oder emotional überfordernd empfunden, darf das klar kommuniziert werden. Diese Offenheit ist kein Zeichen von Schwäche, sondern eine wichtige Grundlage für gesunde Beziehungsgestaltung. Es geht nicht darum, Nähe zu vermeiden, sondern darum, sie auf eine Weise entstehen zu lassen, die sich für beide Seiten sicher und tragfähig anfühlt." 

Darüber hinaus ermutigt Schultner zu ehrlicher Selbstreflexion: "Kann ich mit der Intensität, Offenheit oder Verletzlichkeit des anderen gut umgehen oder überfordert mich das auf Dauer? Nicht jede Verbindung passt automatisch und auch das darf respektvoll anerkannt werden." 

Die folgenden Fragen können dir beim Gespräch vielleicht helfen:

  • "Warum erzählst du mir das gerade jetzt?"
    Hinterfragte den Zeitpunkt der Offenbarung. Floodlighting nutzt frühe Intimität, um emotionale Kontrolle auszuüben.
  • "Wie bist du bisher mit diesen Erfahrungen umgegangen?"
    Überprüfe mit dieser Frage, ob die Person Lösungsansätze hat oder nur emotionalen Ballast abladen will.
  • "Können wir erstmal über etwas Leichteres sprechen?"
    Setze Grenzen und beobachte, ob dein Gegenüber respektvoll reagiert oder weiter drängt.
  • "Was erhoffst du dir davon, mir das zu erzählen?"
    Durchleuchte die Absicht. Dient das Teilen dem Vertrauensaufbau – oder soll es dich verpflichten, ebenfalls intim zu werden?
  • "Hast du das schon mit engen Freund:innen besprochen?"
    Floodlighting zielt oft auf neue Bekanntschaften ab, um ungefilterte Empathie auszunutzen.
  • "Fühlst du dich sicher, solche Themen mit mir zu teilen, oder fällt es dir schwer, Grenzen zu setzen?"
    Diese Frage unterscheidet zwischen unbewusster Manipulation und echter Verletzlichkeit.

Welche psychologischen Folgen kann Floodlighting für die Beteiligten haben?

Floodlighting ist häufig ein Ausdruck innerer Konflikte. "Oft stecken ein mangelnder Selbstwert, Bindungsangst oder das Bedürfnis dahinter, schnell Nähe und Sicherheit herzustellen. Die Offenheit ist ein Versuch, angenommen zu werden, doch wenn das Gegenüber überfordert reagiert, kann das tiefe Scham und Schuldgefühle auslösen", bedauert Schultner. 

"Man zeigt sich, fühlt sich abgelehnt und zieht sich emotional zurück. Auf der anderen Seite kann Floodlighting auch für das Gegenüber belastend sein. Wer früh mit zu viel Intimität konfrontiert wird, fühlt sich womöglich überfordert, emotional in die Pflicht genommen oder in eine Helferrolle gedrängt."

Diese Dating-Strategie dient also überwiegend dazu, Kontrolle über unsichere Beziehungssituationen zu gewinnen – auf Kosten einer gesunden Dynamik. Für alle, die stattdessen auf bewusste Beziehungsgestaltung setzen wollen, gibt es positive Gegenentwürfe wie den Dating-Trend Baywatching. Hier steht das klare Kommunizieren eigener Bedürfnisse und das Beschützen persönlicher Grenzen im Vordergrund. 

Fällt es dir schwer, deine eigenen Grenzen oder die deiner Mitmenschen zu wahren? Oder trägst du vielleicht selbst Bindungstraumata in dir? Dann zögere nicht, dir Hilfe zu suchen. Liebe und Beziehungen sind Arbeit. Es gibt viele Bücher, Dokumentationen und Expert:innen, die uns dabei unterstützen können, uns und unser Bindungsverhalten besser zu verstehen.