Psychologie: Diese Vorteile kann ein Gefühl von Unsicherheit haben
Im Leben streben wir stets nach Sicherheit – das fühlt sich gut an. Unsicherheiten wollen wir möglichst vermeiden. Doch anscheinend sind es genau diese, die uns auch guttun können …

Im Leben streben wir stets nach Sicherheit – das fühlt sich gut an. Unsicherheiten wollen wir möglichst vermeiden. Doch anscheinend sind es genau diese, die uns auch guttun können …
Ich hasse Unsicherheiten. Ich verkrümle mich lieber in meine Komfortzone, in der ich weiß, wie alles läuft. Ich kenne die Menschen, die Orte, die Abläufe, vielleicht sogar das Ergebnis. Hier fühle ich mich sicher.
Natürlich ist mir aber auch bewusst, dass es ein Leben ohne Unsicherheiten nicht gibt. Das betrifft die eigene Person: Bin ich schön genug? Unseren Beruf: Kann ich das überhaupt? Und auch die politische Lage: Wie wird sich unser Land in Zukunft entwickeln?
Bei mir lösen diese Ungewissheiten sofort Stress und Angst aus. Ich fühle mich wie gehemmt. Sehne mich nach Sicherheit und kann der jeweiligen Situation kaum etwas Gutes abgewinnen. Zu Recht? An dieser Stelle wird es spannend, denn Unsicherheiten scheinen zwei Gesichter zu haben.
3 Vorteile von Unsicherheiten – auch, wenn wir sie unangenehm finden
Eine 2024 publizierte wissenschaftliche Untersuchung bestärkt mich zunächst in der Negativität von Unsicherheiten: "Nicht zu wissen, was passiert ist oder passieren wird, wird typischerweise als unerwünscht dargestellt, und Menschen versuchen oft, es zu minimieren und zu vermeiden", heißt es in der Forschung. Erst mal beruhigend, dass meine Einstellung nicht unnormal ist.
Doch im weiteren Verlauf dreht sich der Spieß um: Es gebe Umstände, unter denen Unsicherheit zur Verbesserung des Wohlbefindens genutzt werden könne. Inwiefern denn das, bitte!?
1. Unsere Aufmerksamkeit wird gefesselt
Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, dass wir Ungewissem mehr Aufmerksamkeit widmen. Der wahrscheinliche Grund: Unsicherheiten versetzen uns in einen aufgeregten Zustand. Vielleicht fühlt sich das nicht angenehm an, doch laut den Expert:innen könne es dazu führen, dass wir uns stärker fokussieren und besser konzentrieren.
Das könne sogar an schlechten Tagen helfen, unser Befinden zu verbessern, indem wir zum Beispiel einen Film aus unserem Lieblingsgenre gucken, dessen Ende wir nicht kennen: "Da Ungewissheit die Aufmerksamkeit fesselt, dienen ungewisse positive Dinge als hervorragende Ablenkung und können die Gedanken von unangenehmen Dingen ablenken."
2. Wir lernen durch Unsicherheiten
Müssen wir unsere Komfortzone verlassen und uns etwas Unbekanntem stellen, kostet das zunächst Kraft und Überwindung. Doch letztlich zahlt es sich häufig aus – wir merken, dass die Situation doch gar nicht so schlimm war, wie wir sie uns vorgestellt haben, vielleicht lief sie sogar richtig gut. Durch diese Erfahrung entwickeln wir uns weiter und trauen uns in Zukunft womöglich eher, uns direkt mit einer Unsicherheit auseinanderzusetzen, statt in das typische Ich fühle mich wie gehemmt-Gefühl zu kommen.
3. Positives wird intensiver wahrgenommen
"Unsicherheit wirkt sich positiv auf die emotionale Intensität und Dauer aus", erklärt der Psychologe Arash Emamzadeh bei "Psychology Today". Das bedeutet, wir erleben ungewisse Situationen bewusster und mit mehr Gefühlen – beispielsweise intensiverer Freude – als für uns völlig normale Momente. Das sei unter anderem auf die bereits erwähnte gesteigerte Aufmerksamkeit zurückzuführen sowie auf Versuche, die unsichere Situation zu erklären und zu verstehen.
Fazit: Unsicherheiten akzeptieren und nutzen
Der übereinstimmende Appell lautet: Unsicherheiten akzeptieren und für uns nutzen. "Menschen, die Unsicherheit in ihrem Leben akzeptieren, sind besser dran als jene, die das nicht tun", schreiben die Forschenden in ihrer Arbeit – und belegen das mit einer Vielzahl an Studien, die darauf schließen lassen, dass Personen mit einer entspannten Einstellung gegenüber Unsicherheiten besser mit Ängsten, Schlafstörungen und Co. umgehen können.
"Unsicherheit ist nicht der Feind", resümiert auch Emamzadeh, "Gewissheit ist zwar gut und beruhigend, ja sogar notwendig, aber Unsicherheit ist die Würze des Lebens." Das werde ich ab jetzt versuchen, mir zu Herzen zu nehmen: Ich darf mich weiterhin am wohlsten in meiner Komfortzone fühlen, aber werde trotzdem versuchen, Unsicherheiten nicht mehr aus dem Weg zu gehen, sondern ihnen offen und selbstbewusst gegenüber zu treten.