Generationenfrage: "Gen Z, warum teilt ihr eure Diagnosen auf Instagram?"
Die Jugend von heute ... Typisch Boomer! In der BRIGITTE-Kolumne Generationenfrage dürfen Jung und Alt ungeniert Fragen stellen, um die Eigenheiten der jeweils anderen Generation besser zu verstehen.

Die Jugend von heute ... Typisch Boomer! In der BRIGITTE-Kolumne Generationenfrage dürfen Jung und Alt ungeniert Fragen stellen, um die Eigenheiten der jeweils anderen Generation besser zu verstehen.
Was hat es mit den ständigen WhatsApp-Storys der Ü40er auf sich? Woher kommt die Angst vorm Telefonieren bei den Jüngeren? Und warum bedankt sich die ganze Welt eigentlich bei Beyoncé #thankyoubeyonce? Die Redakteur:innen der BRIGITTE möchten nicht länger übereinander reden, sondern miteinander. Deshalb fragen sie von nun an einfach mal gegenseitig nach...
Katharina, 57: "Seit einigen Jahren bemerke ich, dass sich der persönliche Umgang mit psychischen Erkrankungen stark verändert. Auf Social Media werden Diagnosen zu psychischen Störungen geteilt und dort diskutiert. Das ist zwar einerseits nachvollziehbar, es bleibt für mich aber gleichermaßen befremdlich.
Ich komme mit meinen knapp 60 Jahren aus einer Generation, die von ihren Eltern gelernt hat, dass Krankheiten etwas sehr Privates sind und, wenn überhaupt, im engsten Familienkreis besprochen werden 'dürfen'. Besonders, wenn es sich um psychische Erkrankungen handelt. Denen schien, auch wenn es vielleicht nicht so gemeint war, etwas Negatives, Schwaches, Unnormales anzuhaften.
Ich habe das für mich früh aufgebrochen und intensiv mit meinen Freundinnen über Probleme, Diagnosen oder Überlegungen, eine Therapie zu beantragen, gesprochen. Ich habe das als verbindend, entlastend und wertvoll empfunden, denn mir wurde dadurch schnell klar, dass auch andere Probleme hatten und ich nicht alleine damit bin. Der Austausch war für mich immer hilfreich und ich konnte darüber andere Bewältigungsmöglichkeiten oder auch konkrete Adressen erhalten. Dabei waren mir aber der persönliche Kontakt und das Vertrauen immer wichtig, um mich zu öffnen.
Meine Gedanken und Erfahrungen mit einer anonymen Gruppe im Internet zu teilen, ist für mich aus diesem Grund kaum vorstellbar. Dennoch empfinde ich diese Veränderung als einen weiteren wichtigen Schritt in Richtung eines gesunden Umgangs mit psychischen Problemen."
Victoria, 22: "Ich zähle zwar selbst zur Generation Z, würde meine Diagnosen aber vermutlich auch nicht öffentlich teilen. Zum einen, um meine Privatsphäre zu schützen, zum anderen aber auch, um mögliche Trigger oder potenziell belastende Kommentare oder ungefragte Ratschläge zu vermeiden. Wenn man persönliche Krankheitsgeschichten öffentlich macht, macht man sich natürlich auch angreifbar – etwa für Hasskommentare.
Das bedeutet jedoch nicht, dass ich meine psychischen Herausforderungen verheimlichen würde. Sollte es sich einmal herumsprechen, wäre das für mich kein Weltuntergang – ich würde nur nicht aktiv darüber posten.
Anders handhaben das einige Menschen in meinem Umfeld: Sie berichten offen in sozialen Netzwerken von ihren psychischen und körperlichen Erkrankungen, teilen Erfahrungen aus der Therapie oder filmen sich bei der Einnahme von Medikamenten. Auch, wenn ich selbst das in der Form nicht tun würde, halte ich es für einen wichtigen Beitrag zur Enttabuisierung psychischer Gesundheit.
Unsere Generation ist die erste, die offen über mentale Erkrankungen spricht und sich dafür einsetzt, dass diese genauso ernst genommen werden wie körperliche Leiden. Generell nehme ich bei vielen Personen aus meiner Altersgruppe ein starkes Mitteilungsbedürfnis war – möglicherweise, weil sie im privaten Umfeld wenige oder keine geeigneten Ansprechpartner:innen finden.
In solchen Fällen kann der Austausch mit einer digitalen Community hilfreich sein: Man fühlt sich gehört, ohne zwingend eine Reaktion zu erwarten – allein das Aussprechen hilft vielen bereits, ihre Gedanken zu sortieren und ihre Emotionen zu verarbeiten."