Laut Studie: Darum könnten Menschen, die hier leben, glücklicher sein
Verschiedenste Umstände beeinflussen, wie zufrieden wir mit unserem Leben sind. Eine Studie hat nun gezeigt, dass eine alte, fast vergessene Grenze offenbar auch eine Rolle für unsere psychische Gesundheit spielt.

Verschiedenste Umstände beeinflussen, wie zufrieden wir mit unserem Leben sind. Eine Studie hat nun gezeigt, dass eine alte, fast vergessene Grenze offenbar auch eine Rolle für unsere psychische Gesundheit spielt.
Auf unsere Lebenszufriedenheit wirken die unterschiedlichsten Faktoren: unsere Gene, unser Lebensstil, also was wir essen, wie viel wir uns bewegen, mit wem wir uns umgeben. Außerdem spielt unser Wohnort eine Rolle, ebenso das Wetter und die aktuelle Weltlage. Einige dieser Dinge können wir beeinflussen und so dafür sorgen, dass wir uns glücklicher fühlen – andere, etwa unsere genetische Veranlagung, nicht.
Einen besonders überraschenden Faktor für unser Zufriedenheitsgefühl konnte eine niederländisch-deutsche Studie ausmachen. Das Team um Martin Obschonka von der Universität Amsterdam hat sich nämlich angeschaut, inwieweit der Limes, die frühere Außengrenze des Römischen Reiches, auch heute noch Aufschluss über die Psyche der Menschen gibt, die in oder außerhalb der Grenze leben.
Psychologische Studie zu Menschen innerhalb und außerhalb des Limes
Dafür haben die Forschenden psychologische Daten von mehr als 70.000 Befragten aus einer Online-Umfrage ausgewertet, die zwischen 2003 und 2015 erhoben worden sind. Neben soziodemografischen Daten befanden sich darin auch Angaben zu den fünf großen Persönlichkeitsmerkmalen ("The Big Five") Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Verträglichkeit, Extraversion und Neurotizismus.
Obschonka und sein Team verglichen diese Eigenschaften der Menschen, die in den Regionen Deutschlands leben, die früher innerhalb des Limes lagen, mit den Personen, die heute dort in Deutschland leben, was früher als "Barbaren"-Region außerhalb des römischen Reiches galt.
Menschen im ehemaligen römischen Einflussbereich sind zufriedener und gesünder
Das Ergebnis überrascht: Die Menschen, die in den ehemaligen römischen Bereichen in Süd- und Westdeutschland leben, gaben in den Umfragen eine höhere Lebenszufriedenheit an als diejenigen, die nördlich des früheren Limes wohnen. Auch die Gesundheit der Personen innerhalb der Grenze schien insgesamt besser zu sein, sie wiesen außerdem eine durchschnittlich sechs Monate höhere Lebenserwartung auf.
Bei den Merkmalen der "Big Five" zeichnete sich ebenfalls ein positives Bild der Menschen innerhalb des ehemaligen Römischen Reiches. Sie sind laut der Forschungsergebnisse gewissenhafter, aufgeschlossener, kreativer, sozial verträglicher und weniger neurotisch.
"Wir fanden einen eindeutigen Zusammenhang zwischen der lokalen römischen Prägung und einem heutigen psychologischen Profil in diesen einst römischen Regionen", so Martin Obschonka. "Das zeichnet sich durch ein höheres Wohlbefinden aus: sowohl in Persönlichkeitsmerkmalen – wie Gewissenhaftigkeit und Extraversion sowie geringerem Neurotizismus – als auch in größerer Lebenszufriedenheit und einer längeren Lebenserwartung."
Die Grenze des ehemaligen Römischen Reiches verlief aber natürlich nicht nur durch Deutschland, sondern unter anderem auch durch die Niederlande. Das Forschungsteam überprüfte deshalb auch, ob diese psychologische Grenze sich ebenfalls dort zeigt. Und tatsächlich konnte der sogenannte Limes-Effekt auch in unserem westlichen Nachbarland nachgewiesen werden.
Die kulturelle und psychologische Prägung des Römischen Reiches dauert an
Aber warum prägen uns die kulturellen Unterschiede dieser Jahrtausende zurückliegenden Grenze heute noch? "Die Studie legt nahe, dass die römischen lokalen Investitionen in wirtschaftliche Fortschritte wie das Straßennetz, die Märkte und Bergwerke entscheidend zu diesem Effekt beigetragen haben", erklärt Studien-Coautor Michael Fritsch von der Universität Jena dazu. Der Limeswall markierte daher die Grenze zwischen einer der fortschrittlichsten und einflussreichsten Zivilisationen der Geschichte und den vergleichsweise unterentwickelten germanischen Stämmen.
Fritsch fasst die Studienergebnisse deshalb wie folgt zusammen: "Wir sehen einen psychologischen Langzeiteffekt des römischen Erbes in Deutschland – so wie Archäologen römische Ruinen ausgraben, vermuten wir, dass wir ein psychologisches Erbe in den Köpfen der Menschen sichtbar machen."
"Die psychologischen Grenzen, die wir heute bemerken, könnten ihre Wurzeln tief in der Vergangenheit haben", ergänzt Martin Obschonka. "Antike Grenzen, aus Holz oder Stein wie der Limes, mögen längst verschwunden sein, doch ihre psychologische Wirkung kann über Jahrtausende fortbestehen – unsichtbar, aber dennoch bedeutsam."