Touchig & piepig: Warum uns moderne Autos in den Wahnsinn treiben

Neulich saß ich in einem Mietwagen. Das Modell roch so neu, dass es vermutlich erst wenige Tage zuvor aus der Fabrik gerollt war. Alles...

Feb 14, 2025 - 11:08
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Touchig & piepig: Warum uns moderne Autos in den Wahnsinn treiben

Neulich saß ich in einem Mietwagen. Das Modell roch so neu, dass es vermutlich erst wenige Tage zuvor aus der Fabrik gerollt war. Alles an diesem Auto war futuristisch, elegant und auf maximalen Minimalismus getrimmt. Sogar das Handschuhfach ließ sich nicht einfach mit einem Griff öffnen, sondern wollte vorher höflich auf einem Touchscreen angetippt werden. Groovy, Baby.

Ich wollte die Sitzheizung anschalten. Früher, in den vermeindlich dunklen Zeiten der mechanischen Knöpfe, gab es dafür einen simplen Schalter mit einem kleinen Heizsymbol. Heute aber lebt das Auto in der Zukunft. Also begann ich, mich durch ein digitales Menü zu wühlen, irgendwo zwischen „Umgebungslichtfarbe wechseln“ und „WLAN-Hotspot konfigurieren“. Nach drei Minuten hatte ich die Sitzheizung immer noch nicht gefunden, aber ich hatte versehentlich den Fahrmodus auf „Sport Plus“ gestellt. Behave!

Nun gibt es ja durchaus Menschen, die das alles toll finden. „Man gewöhnt sich dran“, sagen sie. Das sind dieselben Leute, die überzeugt sind, dass Elektroscooter (die stehen bei uns im Kiez ständig im Weg rum) die Zukunft der Mobilität sind und dass ein Kühlschrank mit Internetanschluss (mich nervt schon das penetrante Piepen des Freezers, wenn der mal ein paar Minütchen beim Einräumen des Einkaufs offen steht) eine gute Idee war. Back to the future!

Ich vermute, das ist ein Trick. Eine Verschwörung. Autohersteller hassen physische Knöpfe, weil sie wissen, dass wir mit ihnen klarkommen. Ein Knopf ist verlässlich, ein Drehregler ist intuitiv – wo kämen wir denn hin, wenn Technik einfach funktionieren würde? Stattdessen bekommen wir Touchscreens, die auf jeder Bodenwelle verrutschen und Menüführungen, die nur mit einem Informatikstudium verständlich sind.

Dabei wissen wir doch alle…

Ein Auto das nicht fährt, dass ist sein Geld nicht wert.

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1978. Da waren nicht nur die Frisuren „einzigartig“. „Touch“ fand höchstens vor dem „Screen“ des Autokinos statt.



Vielleicht hänge ich deshalb so sehr an meinem alten Opel Zafira Baujahr 2010. Meine „Schüssel“, wie ihn mal im Urlaub der Vorstand IT der Bosch Hausgeräte genannt hat als er dachte, ich wäre außer Hörweite, ist eine Touchscreen freie Zone. Mir langt schon das Auto fahren, und wenn meine Kinder mitfahren, ist es schon touchig und piepig genug.

Da lobe ich mir den Lada Niva aus der Verfilmung des Jugendbuchklassikers TSCHICK. An der „Schüssel“ ist auch alles mechanisch, und trotzdem machen die Jungs damit die Reise ihres Lebens:

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Auto kurzgeschlossen. Bandsalat statt Entertainment System. Echte Berührung, statt Touchscreen.

Dass ich mit dieser Meinung nicht allein bin, zeigt ein lesenswerter Artikel auf The Turn Signal Blog („The Subtle Art of Designing Physical Control for Cars“). Dort wird haarklein beschrieben, warum moderne Touch-Bedienung im Auto eher eine Design-Laune als eine wirkliche Verbesserung ist. Ingenieure, Designer und Autofahrer streiten seit Jahren darüber, ob ein Knopf nun wirklich so viel schlechter ist als ein Bildschirm. Eine berechtigte Frage – deren Antwort sich allerdings meist erst dann offenbart, wenn man während der Fahrt versucht, die Lüftung hochzudrehen, während das Auto derweil vorschlägt, stattdessen die Sitzmassage zu aktivieren.

Natürlich behaupten Automotive UX Designer, dass all das notwendig sei. Ein Auto müsse heute „clean“ wirken, „aufgeräumt“, „digital first“. Niemand will mehr Plastiktasten, es sei denn, er ist über 40 und kann sich noch an Wählscheibentelefone erinnern. Ich kann das.

Ich frage mich: Wer entscheidet das? Hat es jemals eine Umfrage unter echten Autofahrern gegeben? Wurde irgendwo wissenschaftlich bewiesen, dass man bei Tempo 120 besonders gern auf einem rutschigen Bildschirm herumfingert, um die Lüftung anzupassen?

Ich jedenfalls werde weiter meine Stimme gegen diese Entwicklung erheben – bis sie mir auch das letzte Interface wegnehmen und ich mein Auto nur noch mit Sprachsteuerung starten kann. Ich bin mir sicher, dass ich mit dieser Meinung nicht allein bin.

Die Autos sind überkomplex und unwartbar für einen unabhängigen Autoschrauber. Das stärkt die Marktmacht der Vertragswerkstätten, und nach jedem Werkstattbesuch will man sich angesichts des Rechnungsbetrags ins Schwert stürzen. Und der ganze Technikschnickschnack treibt die Preise für die Edelschüsseln in die Höhe. Wer soll das bezahlen?

Niemals werde ich sagen: „Alexa, fahr mich einfach nach Hause. Ich kann nicht mehr.“ No way.