Psychologie: Wie sich laut einer Expertin fast alle Menschen selbst sabotieren
Wenn wir uns selbst Steine in den Weg legen, tun wir das in der Regel unbewusst. Eine Form der Selbstsabotage ist dabei laut der Psychologin Alice Boyes besonders verbreitet.

Wenn wir uns selbst Steine in den Weg legen, tun wir das in der Regel unbewusst. Eine Form der Selbstsabotage ist dabei laut der Psychologin Alice Boyes besonders verbreitet.
In unserem Alltag stellen wir permanent Ansprüche an uns. Dieses Pensum schaffe ich heute bei der Arbeit. Wenn mein Sohn aus der Schule kommt, bin ich voll und ganz für ihn da. Heute Abend laufe ich zehn Kilometer. Dabei verplanen wir nicht nur unsere Energie und Ressourcen, sondern setzen auch eine bestimmte Form und Version von uns selbst voraus: in der Regel die bestmögliche – oder wenigstens eine ziemlich optimale.
Wir gehen etwa davon aus, dass wir uns auf unsere Arbeit konzentrieren können, ausgeschlafen und kreativ sind, schaffen, was wir schaffen können. Oder wir rechnen damit, dass wir bis zum Nachmittag unsere sonstigen To-dos erledigt haben und deshalb entspannt und geduldig unserem Sohn das eine oder andere Wort über seinen Schultag aus der Nase ziehen können. Oder damit, dass sich unsere Beine nach fünf Kilometern immer noch leicht und beweglich anfühlen.
Genau darin, im Planen mit der bestmöglichen Version von uns selbst, sieht die US-amerikanische Psychologin Alice Boyes eine verbreitete, aber oft übersehene Form der Selbstsabotage.
Wie wir uns selbst dafür aufstellen zu scheitern
"Menschen sabotieren sich selbst, indem sie sich nicht abholen, wo sie sind", schreibt Alice Boyes in einem Beitrag für "Psychology Today". Ob in alltäglichen Kontexten wie Arbeit und Kinderbetreuung, bei Trainings- oder Ernährungsplänen oder in Bezug auf unsere mentale Selbstentwicklung, der Psychologin zufolge stecken wir unsere Ziele meistens basierend auf dem Ich, das wir sein können und möchten, statt auf dem, das wir sind.
Damit schaffen wir einerseits die Voraussetzung dafür, dass wir wahrscheinlich scheitern und uns selbst enttäuschen. Andererseits überfordern wir uns und schaden uns häufig selbst, indem wir etwa über unsere Grenzen gehen. Denn diese bestmögliche Version von uns, die all ihre Fähigkeiten und Potenziale abrufen und unsere Ansprüche erfüllen kann, sind wir nur selten. "Oft entwirft unser bestes oder ideales Selbst unsere Pläne und unser schlechtestes oder pessimistischstes Selbst zweifelt sie an. Aber unser echtes oder durchschnittliches Selbst muss sie ausführen", so Alice Boyes.
Ursache dieses Musters ist ein Mangel an Selbstmitgefühl
Hinter diesem destruktiven Umgang mit uns selbst steckt laut der Psychologin meist, dass wir uns selbst nicht hinreichend akzeptieren. Dass wir unzufrieden mit uns sind und kein Verständnis für uns aufbringen. "Oft ist dieses Muster der Selbstsabotage angetrieben von Kritik oder Ungeduld gegenüber der Person, die wir heute sind", schreibt Alice Boyes. Die Person, die sich vielleicht gerade etwas schlapp fühlt. Oder die prokrastiniert, weil sie sich nach Entspannung oder Zerstreuung sehnt. Als diese Person möchten wir uns nicht identifizieren, deshalb gehen wir nicht auf sie ein. Doch wenn wir uns realistische Ziele setzen wollen, die wir erreichen können, ohne dabei zu zerbrechen, die uns stattdessen Erfolgserlebnisse und Motivation bescheren, dürfen wir diese Person nicht ablehnen oder ignorieren.
Als Menschen können wir unser Leben lang wachsen, uns weiterentwickeln und dazulernen. Doch wir können nicht davon ausgehen, dass diese Entwicklung immer linear und konstant ist. Manchmal brauchen wir Pausen. Manchmal fühlen wir uns kraftlos. Manchmal sind wir krank. Nur wenn wir auf uns eingehen und für uns sorgen, verfügen wir langfristig über die Energie, Zufriedenheit und Gesundheit, die wir zum Wachsen, Lernen, Entwickeln und Leben benötigen.