Future Marketing: Trends & Tipps aus dem Thinktank

Marketingausgaben brechen alle Rekorde. Doch ein Großteil der Ressourcen verpufft ohne Wirkung. Die Branche steckt in der Krise. Wie die Zukunft von Marken und Marketing aussehen kann, zeigt eine neue Publikation des Thinktanks »The Future:Project«

Feb 22, 2025 - 08:50
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Future Marketing: Trends & Tipps aus dem Thinktank

Marketingausgaben brechen alle Rekorde. Doch ein Großteil der Ressourcen verpufft ohne Wirkung. Die Branche steckt in der Krise. Wie die Zukunft von Marken und Marketing aussehen kann, zeigt eine neue Publikation des Thinktanks »The Future:Project«

Future:Guide Marketing Cover Über eine Billion Euro haben Unternehmen im Jahr 2024 in Marketingmaßnahmen investiert – und damit alle Prognosen übertroffen. Der Kampf um die Aufmerksamkeit der Konsumierenden wird immer härter und auf immer mehr Kanälen gleichzeitig ausgefochten. Doch eine omnigechannelte Dauererregung und Reizüberflutung lässt nicht nur die Masse an Marketingbotschaften weiter anwachsen – sondern vor allem die Genervtheit der Menschen. Das Resultat ist eine steigende Immunität gegen Werbeversprechen.

Inhaltsverzeichnis

Sechs Transformationen für Marken von morgen

Vier Wege in die Zukunft des Marketings

Coming together

Die goldenen Zeiten, in denen die Werbebranche sich selbst mit Awards und Events zelebrierte und originelle Kampagnen und Slogans wie Kunstwerke gefeiert wurden, sind vorbei. Das Publikum ist kritischer, die Konkurrenz wächst, die Kreativität sinkt. Zukunftsfähige Marken brauchen eine Neujustierung, die sich nicht am technologisch Machbaren orientiert, sondern an den tatsächlichen Bedürfnissen der Menschen.

Dafür ist ein differenzierter Blick auf gesellschaftlichen Wandel unabdingbar. Der Future:Guide Marketing des Thinktanks »The Future:Project« identifiziert sechs relevante Transformationen, die Markenschaffende im Blick behalten sollten.

Sechs Transformationen für Marken von morgen

Future:Guide Marketing Sechs Transformationen

Human Digitality

Vom Vernetzungsrausch zur kultivierten Digitalität

In Zeiten des Information Overflow wird es immer wichtiger, wirklich Relevantes zu kommunizieren. Für die Markenkommunikation bedeutet das vor allem eine Abkehr von unreflektierter Datengläubigkeit und dem blinden Kampf um digitale Bühnen – und stattdessen eine Hinwendung zum Markenkern. Erst wenn die Verbindung zwischen Produkt und Konsument geklärt ist, sollten – bewusst ausgewählte – Vernetzungsmöglichkeiten kultiviert werden. Denn: Digitale Effizienz braucht den Gegenpol lebendiger Beziehungen.

Conscious Economy

Von der Leistungsgesellschaft zur Sinnökonomie

Im Spätkapitalismus hat Profitmaximierung als Selbstzweck ausgedient. Wirtschaft wird wieder stärker als Mittel zur Zielerreichung gesehen ­– und immer weniger als Ziel an sich. Von Marken wird in diesem Zuge erwartet, dass sie einen Mehrwert generieren, der über die Befriedigung künstlich geschaffener Bedürfnisse hinausgeht. Marken, die sich auf Kosten von Menschen oder der Natur bereichern, werden es künftig immer schwerer haben, dieses Tun mithilfe von emotionalen Imagekampagnen und glitzernder Hochglanzwerbung zu kaschieren.

Co-Society

Von Polarisierung zur neuen Wir-Kultur

Die Gefahr der sozialen Polarisierung macht die Suche nach neuen gesellschaftlichen Brückenschlägen zu einer zentralen Zukunftsherausforderung – auch für Marken. Denn während sie früher häufig auf Abgrenzung und Status abzielten, werden Marken der Zukunft zu Botschaftern von Gemeinsinn. Sie werden weiterhin als Ausdruck von Identität dienen, jedoch verschiebt sich der Fokus: Weg von Identifikation über Abgrenzung und hin zur Identifikation über Zugehörigkeit.

Mindshift Revolution

Von sozialer Ungleichheit zu ermächtigten Identitäten

In Zukunft werden Merkmale wie Geschlecht, Herkunft oder Alter immer weniger Einfluss auf den gesellschaftlichen Status, die Berufswahl oder die Rolle in der Familie haben. Diskriminierte Gruppen brechen alte Machtstrukturen auf. Verstaubte Werte, Normen und Wahrheiten werden zur Diskussion gestellt. Feministische und antirassistische Kräfte, LGBTQ-Aktivist:innen und eine wachsende Zahl weiterer Social-Justice-Bewegungen sind längst zu einer Graswurzelbewegung mit globaler Wirkmacht geworden. Zu diesem Zeitgeist müssen Marken sich heute und künftig positionieren.

Glocalisation

Von globaler Vereinheitlichung zu glokaler Vielfalt

Globale und lokale Elemente werden künftig wieder stärker miteinander in Beziehung gesetzt, statt das Globale dem Lokalen einfach überzustülpen. Das gilt auch für Marken: Authentischer Regionalbezug schafft Vertrauen – auch über die Herkunftsregion hinaus. Die enge Zusammenarbeit mit lokalen Akteur:innen und Nutzung lokaler Ressourcen werden zu USPs, die ausgespielt werden dürfen. Glocal Brands können außerdem als Plattform für interkulturellen Austausch dienen. Als Vermittler zwischen Kulturen und Orten können Marken lokal bewährte Lösungsansätze global verbreiten und Communities rund um Themen verbinden, die Menschen weltweit beschäftigen.

Eco Transition

Von grünem Verzicht zur systemischen Nachhaltigkeit

Das fossile Zeitalter neigt sich dem Ende zu. Wir befinden uns inmitten eines tiefgreifenden sozio-ökologischen Umbruchs, an dem keine Marke und kein Unternehmen vorbeikommt. Statt die Probleme natürlicher und menschlicher Ausbeutung zu ignorieren und stur die fixe Idee des „immer mehr“ zu verfolgen, legen zirkuläre, regenerative und inklusive Geschäftsmodelle den Fokus auf das Wachstum von Lebensqualität. Das erfordert ein Zusammendenken von Marketing und Geschäftsmodell im Sinne einer systemischen Nachhaltigkeit, die soziale und ökonomische Faktoren miteinschließt.

Downloads zum Future:Guide Marketing

Neugierig geworden? Hier könnt ihr euch das Poster mit dem Future:System herunterladen, das die Megatrends und Subtrends visualisiert: TFP-Poster-System-white-A4-1 Außerdem findet ihr hier eine kleine Leseprobe: TFP-FG-Marketing-Ansicht-Leseprobe

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Vier Wege in die Zukunft des Marketings

Marketing, wie es heute praktiziert wird, stößt langsam, aber sicher an seine Grenzen. Das hat zwei Gründe. Erstens: Marketing kann nicht mehr außerhalb der restlichen Unternehmensentwicklung gedacht werden – die Außenkommunikation und Botschaften müssen zum Inneren des Unternehmens, zur gelebten Unternehmenskultur passen. Zweitens: Marketing kann nicht mehr isoliert von äußeren Umständen, Trends und Veränderungsprozessen gedacht werden.

Damit wird Marketing zu einer komplexen Angelegenheit, zu einem ständigen Balanceakt. Um sich selbst treu zu bleiben, müssen sich Marken ständig verändern. Als Orientierung in diesen Wandlungsprozessen bieten sich vier Leitstrategien an, die in eine zukunftsfähige Markenentwicklung weisen: Identity, Integrity, Quality und Community.

1. Identity

Marken brauchen in Krisenzeiten mehr denn je eine starke Identität, die die inneren Unternehmenswerte nach außen trägt. Auch in Zukunft können Marken Statussymbole sein – obwohl sich das Verständnis von Status verändert: weg von Besitz, hin zu Wissen, Erlebnis und Erfahrung.

Pioniere:

  • Parajumpers
    Die Marke hat ihren Namen von einer Elite-Militäreinheit, die auf die Rettung von Menschen in extremen Umwelt- und Wetterkonditionen spezialisiert ist. Parajumpers kreiert Outdoor-Kleidung, die elegant und extrem langlebig ist und nützliche Elemente wie Gummizüge für die Anbringung von Ausrüstung integriert hat. parajumpers.it
  • Stanley
    Der pastellfarbene, überdimensionierte Thermobecher mit Griff und Strohhalm hat auf Social Media einen regelrechten Hype erlebt. Die Marke, die sich mit ihren Bechern, Dosen und Campinggeschirr ursprünglich an Bauarbeiter und Camper:innen richtete, hat sich nun in die Hände zahlreicher Hollywood-Stars begeben. stanley1913.com
  • To’ak Schokolade
    Das Unternehmen To’ak entstand aus einer Initiative zur Erhaltung des Regenwalds in Ecuador. Dort wird Kakao nicht auf Plantagen angebaut, sondern von Kleinbäuer:innen im Einklang mit Flora und Fauna des Regenwalds. Hier entdeckte Jerry Toth, Co-Gründer der Luxusmarke To’ak, eine alte Sorte Kakaobaum wieder, die bereits als ausgestorben galt. Durch ihre Rekultivierung will To’ak Schokolade wieder zu etwas Heiligem machen – so wie in der traditionellen Kultur der Maya. Ein Paradebeispiel für ein neues Luxusverständnis. toakchocolate.com

Future:Guide Marketing Quality2. Quality

In den vergangenen Jahren haben sich die universale Storifizierung und immer ausgefeiltere Content-Welten rund um Marken immer weiter von der eigentlichen Leistung des Produkts oder der Dienstleistung entfernt. Doch es kündigt sich ein Comeback der Qualität an. Die Marke rückt wieder näher ans Produkt. Und das Produkt wird im Kontext seines gesamten Lebenszyklus gedacht und vermarktet.

Pioniere:

  • Houdini
    Die schwedische Outdoor-Marke Houdini bietet lebenslange Garantie auf ihre Produkte, verfolgt eine konsequente „Rental, Reuse & Repair“-Strategie und bezieht sich in ihrer Nachhaltigkeitsstrategie auf die planetaren Grenzen. Damit ist Houdini in Sachen Circularity ganz weit vorn – und kann sogar mit Pionieren wie Patagonia mithalten. houdinisportswear.com
  • FLSK
    Das Münchner Start-up FLSK stellt Trinkflaschen und Becher aus Edelstahl her und setzt dabei auf extrem lange Haltbarkeit und höchste Qualität sowie einen konsequent nachhaltigen und fairen Produktzyklus, von der Herstellung über den Transport bis zum Recycling. flsk.de
  • Brewbee
    Brewbee ist eine Food-Upcycling-Marke der Appenzeller Brauerei Locher, die Biertreber aus der Bierproduktion als alternative pflanzliche Proteinquelle nutzt. Biertreber enthält als Nebenprodukt der Bierbrauerei viele gesunde Inhaltsstoffe und ist zudem sehr proteinreich. Durch die Weiterverwendung stellt das Unternehmen unter anderem Pizza, Chips, Müsli sowie eine pflanzliche Hackfleischalternative her. brewbee.ch

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Future:Guide Marketing Integrity3. Integrity

Marken, die bereit sind, sich mit gesellschaftlichen Fragen nicht nur zu beschäftigen, sondern mutig vorzupreschen, gehört die Zukunft. Getragen von einem wachsenden Umwelt- und Verantwortungsbewusstsein, bahnt sich seit Jahren eine neue Handlungsmoral an, die bereits jetzt unseren Alltag überall beeinflusst. Statt ein bestimmtes Image zu verkaufen, geht es im Marketing der Zukunft vor allem darum, das Innen und Außen eines Unternehmens sinnvoll zu verbinden.

Pioniere:

  • Tomorrow Bank
    Das Fintech-Start-up Tomorrow will das klassische Banking und Anlagestrategien im bestehenden Finanzsystem verändern und Geld als Hebel für einen positiven Wandel nutzen. Als zertifizierte B Corporation werden Zweck und Gewinn in Einklang gebracht. tomorrow.one
  • Lemonaid
    Lemonaid stellt Bio-Limonaden her und will damit „trinkend die Welt verändern“. Ein wenig jedenfalls. Neben dem fairen Handel wird mit jeder verkauften Flasche der Verein Lemonaid & ChariTea e.V. unterstützt, der sich unterschiedliche Projekte der Entwicklungszusammenarbeit einsetzt. lemon-aid.de
  • Ecosia
    Die Suchmaschine Ecosia nutzt 100 Prozent der Gewinne für Klima- und Umweltschutz, vor allem für Baumpflanzprojekte auf der ganzen Welt. Die Ecosia Community ist die weltweit größte Baumpflanz-Bewegung, die jeden Tag etwas bewirkt. Die von Ecosia installierten Solarpanels erzeugen doppelt so viel Energie wie die Suchanfragen der User:innen verbrauchen, sodass die B-Corporation aktiv Teil der Energiewende ist. ecosia.org

Future:Guide Marketing Community4. Community

Marken sind Treiber und Konnektoren von Menschen. Sie schaffen Micro Tribes und Meta Communities. Doch die Vernetzung von Menschen in kleinen, spezifischen Gemeinschaften erfordert von Marken Flexibilität und ein tiefes Verständnis für ihre Community. Deshalb werden die Markenentwickler:innen der Zukunft zu Gärtner:innen von Communitys: Sie bereiten fruchtbaren Boden für sinnhafte, mehrwertstiftende Interaktionen in der Co-Society. Zukunftsfähige Marken setzen auf Zugehörigkeit aufgrund geteilter Werte-Sets, statt auf Abgrenzung.

Pioniere:

  • Freunde der ZEIT
    Dieses Programm für Abonnent:innen der ZEIT ermöglicht ein Zusammenkommen mit anderen Leser:innen, Journalist:innen und Expert:innen. Im Zentrum des Programms steht der persönliche Austausch, etwa an Abenden wie dem ZEIT-Leserparlament. Außerdem werden Besuche in der Redaktion und Autor:innen-Gespräche angeboten. Das verbindende Element der Community ist ein tiefgehendes Interesse an Politik, Wirtschaft, Wissen und Kultur. verlag.zeit.de
  • Runna
    Die Runna Community bringt Läufer:innen zusammen. Die Mitglieder profitieren vom schnellen Zugang zu fachkundiger Hilfe durch Trainer und erfahrenere Läufer. Die Mitglieder helfen sich aber auch gegenseitig, motiviert zu bleiben und ihre Ziele zu erreichen. Bei Events und Rennen kann man sich live austauschen. runna.com
  • Figma
    Figma ist eine kollaborative Software zum Erstellen von Prototypen für Designer:innen. Sie wird vor allem als Webanwendung genutzt. Dort trifft sich eine aktive Community, die Entwürfe, Vorlagen, Plugins und andere Ressourcen zur Verfügung stellt. Die Figma-Entwürfe können modular aufgebaut und in Echtzeit mit anderen geteilt werden. figma.com

Coming together

In Zeiten schwindender Markentreue, fluider und unverbindlicher Lebensstile und immer partikularisierterer Angebote ist Community die zukunftsfähige Strategie, um langfristige Beziehungen rund um eine Markenidentität aufzubauen und zu erhalten.

Gemeinschaften mit bedeutungsvollen Verbindungen zwischen Menschen und Marken lassen sich in den seltensten Fällen durch Marketingmaßnahmen herstellen – vielmehr muss das Community-Potenzial bereits in der Marke angelegt sein. Hier kommen die drei anderen Pfeiler zukunftsfähigen Marketings ins Spiel: Integrität, Identifikationspotenzial und ganzheitlich gedachte Qualität.

Die Marke und das Unternehmen müssen wieder verschmelzen: Nur wenn Marketing- und Unternehmensstrategie Hand in Hand gehen, dann kann die Marke nach innen und nach außen strahlen und entwickelt eine hohe Anziehungskraft, nicht nur für Kund:innen, sondern auch für Mitarbeitende.

Über die Studie: Future:Guide Marketing: Neue Wege für Marken von morgen. Ab 165 € | 192 Seiten | ISBN: 978-3-910992-17-7 | ISBN PDF: 978-3-910992-18-4

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Thinktank Protrait Lena Papasabbas
Lena Papasabbas

Lena Papasabbas erforscht gesellschaftlichen Wandel in all seinen Facetten, von Mikrotrends und Subkulturen bis zu den großen transformativen Umwälzungen. Die Forschungsschwerpunkte der Kulturanthropologin und Ethnologin sind die komplexen Wechselwirkungen zwischen Kultur und Technologie. Sie ist daneben als Redakteurin, Social Media Beauftragte und Speakerin tätig.