Will ich wer anders sein?: Dieses Buch hat mir geholfen, meine Persönlichkeit zu akzeptieren

Unsere Autorin ist schüchtern, introvertiert und ängstlich. All das hat sie ihr Leben lang sehr gestört. Bis jetzt. Denn durch ein Buch hat sie kürzlich gelernt, ihre eigene Persönlichkeit zu hinterfragen – und wertzuschätzen.

Mar 6, 2025 - 07:48
 0
Will ich wer anders sein?: Dieses Buch hat mir geholfen, meine Persönlichkeit zu akzeptieren

Unsere Autorin ist schüchtern, introvertiert und ängstlich. All das hat sie ihr Leben lang sehr gestört. Bis jetzt. Denn durch ein Buch hat sie kürzlich gelernt, ihre eigene Persönlichkeit zu hinterfragen – und wertzuschätzen.

Ich sitze im Bus auf dem Rückweg von meiner Ärztin und frage mich, wieso ich nicht hartnäckig geblieben bin. Statt sich ausführlich mit meinen Symptomen zu beschäftigen, wurden diese mal wieder auf eine beliebte Ursache geschoben: Stress. Wieso war ich nicht mutig und habe darauf bestanden, dass weitere Tests durchgeführt werden? Na ja, ich bin eben zurückhaltend und akzeptiere (zu) schnell.

Abends auf der Firmen-Weihnachtsfeier gerate ich wieder in eine Situation, die mich ärgert. Es wird gesungen und getanzt, die Stimmung ist ausgelassen. Und ich? Stehe ruhig etwas abseits des Geschehens, wippe lediglich mit meinem Fuß zur Musik und beobachte. Wünschte, ich wäre mehr wie diese Kolleg:innen, die sich fallen lassen können. Offen miteinander ins Gespräch gehen und offensichtlich Spaß haben. 

Ich wär' so gern wer anders …

Mit meiner introvertierten, schüchternen und ängstlichen Persönlichkeit erlebte ich schon unzählige Male diese Momente, in denen ich mir dachte: Ich wär' so gern wer anders. Eine starke, mutige, selbstbewusste und offene Frau, die nicht den Mittelpunkt oder Konfrontationen scheut. Doch sobald ich versuche, mehr wie mein "Wunsch-Ich" zu sein, fühle ich mich wie in einem Fremdkörper. Meine Persönlichkeit ist nun mal eine andere. Ist das wirklich so schlimm? 

Lange Zeit empfand ich es als echte Last, so zu sein, wie meine Natur es anscheinend möchte. Doch vor Kurzem las ich ein Buch, das überraschenderweise zu einem Wendepunkt in meinem Denken führte. 

Dieses Buch hat mir geholfen, meine Persönlichkeit zu akzeptieren 

"Ich rechne auf: Soll und Haben. Soll ich schüchtern bleiben oder den Mut haben, meinem Leben eine neue Richtung zu geben? Denn ginge ich aus dem Experiment am Nachmittag als ein anderer hervor, als ich hineingegangen bin, bliebe doch zuvor immer noch die Frage zu beantworten: Will ich das überhaupt? Will ich ein anderer sein?", heißt es in Gregor Eisenhauers "Wie wir die Angst vor der Angst verlieren – furchtlos in 7 Tagen". 

Der Protagonist zählt – genau wie ich – zu den schüchternen Angsthasen unter uns. Als ihn seine Angst im Alltag zunehmend stärker kontrolliert, wagt er den Versuch einer siebentägigen Therapie, nach der er sich wieder frei fühlen soll. Am vierten Tag kommt es zu der oben beschriebenen Szene, die mich sofort einnahm. Ich sah mich in diesem Kapitel, stellte mir die entscheidende Frage: Will ich wirklich jemand anderes sein?

In den nachfolgenden Zeilen wägt der Charakter ab. Dafür spricht: "Einerseits wüsste ich gern, wie es sich anfühlt, nicht schüchtern zu sein. Ich würde mich folglich jederzeit gern einem Optimierungsprogramm unterwerfen, sofern es rückgängig zu machen ist." Dagegen spricht: "Die Vorstellung, lebenslang mutig sein zu müssen, widerstrebt mir. Der Mutige sucht sich immer neue Herausforderungen, wie sonst sollte er seinen Mut beweisen können." Das mache die Welt zu einem Abenteuerspielplatz, auf dem sich der Protagonist nicht sieht. 

"Ich sehe keinen Sinn darin, über mich hinauszuwachsen. Denn wo soll das hinführen? An die Zimmerdecke? Immer ist irgendwo eine Grenze, die sich selbst mit größter Waghalsigkeit nicht überwinden lässt." Und das lässt ihn zum Fazit kommen: "Böte sich also die Chance auf dauerhafte Heilung von meiner Schüchternheit, würde ich sie ergreifen? Nein." 

3 Tipps, um die eigene Persönlichkeit zu akzeptieren

1. Hinterfrage, wie es wirklich als wer anders wäre

Viele Seiten in dem Buch und besonders diese Zeilen sprechen mir aus der Seele. Ich habe mir zum ersten Mal ernsthaft vorgestellt, wie es wäre, für immer jemand anders zu sein. Habe diesen Wunsch nicht nur plump dahingesagt. Und auch ich stellte dabei fest, dass ich es gar nicht so toll finden würde, wie es mir im ersten Moment immer erschien. Ich sehe mich nicht dauerhaft unter den Mutigen auf dem Abenteuerspielplatz – aber bin darüber, wenn ich wirklich mal tief in mich hineinhorche, auch ziemlich glücklich. Ich brauche das nicht. Ich kann trotzdem in meinem Rahmen über mich hinauswachsen und das ist für mich völlig ausreichend.

2. Mache dir deine Einzigartigkeit bewusst

Zwei weitere Tipps verrät mir die Professorin für Entwicklungspsychologie an der Universität Kiel, Frau Prof. Dr. Naemi Brandt. "Es könnte helfen sich zu vergegenwärtigen, was Persönlichkeit ist: Nämlich unsere Einzigartigkeit. Und diese ist kostbar und schützenswert. Niemand möchte in einer Welt ohne Unterschiede leben, denn diese Unterschiede machen die Welt bunt und spannend", betont die Expertin.

3. Betrachte die Vorteile deiner Persönlichkeit

Persönlichkeitsmerkmale seien per se nicht gut oder schlecht, sagt Brandt. "Sie sind ganz unterschiedlich funktional in verschiedenen Kontexten." Betrachte ich meine Persönlichkeit vor diesem Hintergrund, wird mir klar, dass sie auch gute Seiten hat, die sich vielleicht sogar andere Menschen wünschen: Meine Ängstlichkeit kann mich beschützen. Meine zurückhaltende Art bringt mit sich, dass ich eine gute Selbstreflexion habe und selten etwas überstürze. Meine Schüchternheit macht mich zu einer guten Zuhörerin. Für all das und noch mehr werde ich meine Persönlichkeit ab jetzt wertschätzen.

Hast auch du manchmal Probleme damit, deine Persönlichkeit zu akzeptieren oder wünschst dir, wer anders zu sein? Möglicherweise können diese drei Tipps dir auf dem Weg zu mehr Selbstliebe helfen. Ist dein Leidensdruck jedoch anhaltend stark und du weißt nicht, was du tun sollst, empfiehlt es sich, professionelle Hilfe hinzuzuziehen.