Tocotronic – Golden Years

Drei Jahrzehnte Tocotronic, vierzehn Alben – und jetzt Golden Years. Ein Album, das seine Vergangenheit kennt und sich dennoch nicht ganz darin verliert. Nach dem autobiografischen Die Unendlichkeit und dem düster-reflexiven Nie wieder Krieg setzen Tocotronic nun auf ein anderes Gefühl: nostalgische Bestandsaufnahme. Doch Nostalgie ist trügerisch – und genau hier liegt der Reiz. Die […]

Feb 16, 2025 - 18:17
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Tocotronic – Golden Years

Drei Jahrzehnte Tocotronic, vierzehn Alben – und jetzt Golden Years. Ein Album, das seine Vergangenheit kennt und sich dennoch nicht ganz darin verliert.

Nach dem autobiografischen Die Unendlichkeit und dem düster-reflexiven Nie wieder Krieg setzen Tocotronic nun auf ein anderes Gefühl: nostalgische Bestandsaufnahme.

Doch Nostalgie ist trügerisch – und genau hier liegt der Reiz. Die Band bleibt ihrem Sound treu, manchmal fast zu sehr, aber findet dennoch Momente, in denen sie sich neu definiert.

Der Titeltrack Golden Years verkörpert die Grundstimmung der Platte perfekt: ein heller Gitarrensound, der nach vorne treibt, während die Lyrics eher nachdenklich klingen. Wie oft bei Tocotronic sorgt dieser Kontrast für eine eigentümliche Spannung.

Doch nicht alles funktioniert. Mein unfreiwillig asoziales Jahr bleibt mit ein wenig zu sehr an der Oberfläche hängen, und Wie ich mir selbst entkam zitiert sich ein wenig zu offensichtlich selbst. Während manche Songs souverän mit Altbekanntem spielen, wirken andere, als wollten sie eine frühere Version der Band nachahmen. Den Titeltrack, Vergiss die Finsternis und Bye Bye Berlin höre ich zwar gerne, aber manchmal ist mir das eine Spur zu fluffig.

Aber Tocotronic wären nicht Tocotronic, wenn sie nicht auch überraschen könnten. Der Tod ist nur ein Traum beginnt leise, entfaltet aber eine fast hypnotische Intensität. Das zu Beginn nach Pulp Fiction klingende Ein Rockstar stirbt zum zweiten Mal knüpft an alte Schrammel-Tage an und tut das mit einer ungekünstelten Dringlichkeit, die erfrischend ist.

Besonders bemerkenswert ist Niedrig: eine Maultrommel spielt eineMelodie, die leichtfüßig wirkt, sich aber unter der Oberfläche mit depressiv-melancholischen Untertönen mischt. Eine kleine Studie darüber, wie gut Tocotronic immer noch Spannungen aufbauen können.

Golden Years ist ein Album, das sich bewusst in die eigene Vergangenheit begibt, ohne dort stecken zu bleiben. Es gibt Routinen, aber auch Aufbrüche. Es ist nicht das beste Tocotronic-Album, aber eines, das mit seinem Spannungsfeld zwischen Stillstand und Bewegung durchaus fasziniert.

Denn eines bleibt klar: Auch wenn Tocotronic sich manchmal selbst zitieren, suchen sie weiterhin nach neuen Wegen. Und allein das macht Golden Years lohnenswert.

7/10


Quelle