No-Buy-Challenge: Was passiert, wenn ich eine Woche lang nichts kaufe?

Weniger Konsum, mehr Lebensqualität? Was macht es mit einem, wenn man eine Weile nichts Überflüssiges kauft? Unter dem Hashtag #nobuy teilen gerade viele bei Social Media ihre Erfahrungen. Unsere Autorin hat's ausprobiert   

Mar 5, 2025 - 12:31
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No-Buy-Challenge: Was passiert, wenn ich eine Woche lang nichts kaufe?

Weniger Konsum, mehr Lebensqualität? Was macht es mit einem, wenn man eine Weile nichts Überflüssiges kauft? Unter dem Hashtag #nobuy teilen gerade viele bei Social Media ihre Erfahrungen. Unsere Autorin hat's ausprobiert 

 

Das Kassenband ist fast voll, dabei wollte ich nur kurz Windeln für meinen Sohn kaufen. Am Ende bezahle ich 40 Euro – unter anderem für Lidschatten, Bio-Brotaufstrich, Lakritz, ein Hyaluron-Augengel und irgendeinen fancy "Harmonie"-Tee. Die Windeln habe ich vergessen. 

"Gönne" ich mir zu viel Überflüssiges? 

Geld ausgeben geht schnell. Vor allem am Monatsanfang, wenn das Konto an seinem Zenit ist und man sich nach einem harten Tag etwas "gönnen" will. Dabei bin ich nach einem Jahr Elternzeit und diversen Steuerrückzahlungen gerade gefühlt pleite. Und zu Hause quellen die Schubladen und Regale sowieso schon über. 

Deshalb hat mich die Idee sofort überzeugt, eine Zeit lang nichts Überflüssiges zu kaufen und damit das eigene Konsumverhalten infrage zu stellen: Warum kaufe ich das jetzt? Brauche ich das wirklich? Welche kostenfreie Alternative gibt es? 
In den sozialen Medien findet man unter dem Hashtag #nobuy bereits unzählige Tipps von Leuten, die Konsum-Fasten: Essen soll man möglichst selbst kochen, Kosmetikprodukte erstmal aufbrauchen, ehe man sich den dreißigsten Nagellack kauft, Kaputtes reparieren (lassen), Wohnzimmer-Partys feiern, statt in Bars zu gehen …  

Konsum-Sünde: 200 Euro im Monat für Coffee to go

Klingt machbar! Wie lange man auf unnötigen Konsum verzichten will, kann man selbst entscheiden. Wichtig ist ein realistisches Ziel. Ich starte mit einer Woche.

Um mir vor Augen zu führen, wofür ich das meiste Geld ausgebe, schaue ich mir die Kontoauszüge der letzten beiden Monate an. Einiges davon hätte ich mir wirklich sparen können: 

- drei Pisco Sour im angesagten peruanischen Restaurant: 45 Euro

- fünf verschiedene Streaming-Abos: ca. 50 Euro

- zweimal geblitzt: 60 Euro 

- vergessen, die Probe-Bahncard25 zu kündigen: 65 Euro 

- Kontaktlinsen: 58,80 Euro 

- 2 x täglich Coffee to go: ca. 200 Euro

Laut Statistischem Bundesamt zahlt jeder Haushalt monatlich 2704 Euro für sämtliche Konsumausgaben. Der Großteil geht für die Miete drauf. 304 Euro fließen in den Bereich Freizeit, 137 Euro in Haushaltsausstattung, 122 Euro in Kleidung. Zeit, sich einzuschränken. Ich setze direkt beim Kaffee an. Morgens gibt’s jetzt Selbstgekochten aus dem Thermobecher. Schmeckt plörrig und der Plausch mit dem Barista fehlt mir. Aber die Ersparnis liegt bei gut 100 Euro im Monat! Den Supermarkt betrete ich vorerst nicht, sondern brauche auf, was noch im Schrank steht: Grießbrei zum Beispiel. Und Marzipan mit Ananasgeschmack, das noch von Weihnachten übrig ist. Eklig, aber besser als nichts, wenn das Nachmittagstief reinkickt.

Wunschliste pflegen und reparieren

So langsam packt mich der Ehrgeiz. Es macht tatsächlich Spaß, Geld zu sparen und bereits Vorhandenes aufzubrauchen. Natürlich darf man sich eine neue Jacke kaufen, wenn die alte abgetragen oder kaputt ist, aber zur Abwechslung könnte man sich auch auf dem Flohmarkt umsehen. Auch mein teures Yogastudio pausiere ich und mache lieber gratis Online-Kurse. 

Weitere Tricks aus der #nobuy-Community: Wenn man etwas haben möchte, setzt man es auf eine Wunschliste. Nach Ablauf des #noybuy-Zeitraums darf man es kaufen – wenn man es dann überhaupt noch will. Sowieso rät Michaela Wänke, Sozialpsychologin für Konsumentenpsychologie an der Uni Mannheim, immer erstmal eine Nacht darüber zu schlafen und dann zu entscheiden, ob man ein bestimmtes Produkt wirklich braucht. Newsletter mit „Sale“-Angeboten von Modemarken sollte man abbestellen, Instagram so wenig wie möglich aufrufen, damit einem nicht ständig Werbeanzeigen von viralen Must-haves einspielt werden, mit denen irgendwelche Influencer „obsessed“ sind, Cookies löschen, die einem immer wieder was reinspielen, was man sich kürzlich angeguckt hat. Wusste schon Dr. Hannibal Lecter: „Wir beginnen, das zu begehren, was wir jeden Tag sehen.“

Härtetest: Ausgehen mit Freundinnen 

Am Wochenende dann der Härtetest: Zwei Freundinnen möchten mit mir Wein trinken gehen. Zu Hause wollen wir uns wegen der Kinder nicht treffen. Ich zögere, bis mir einfällt, dass ich vor Jahren mal einen Gutschein für eine schicke Bar geschenkt bekommen habe. Nach anderthalb Stunden habe ich den Wisch gefunden: Jackpot – 15 Euro zum Verprassen!  

Am nächsten Tag übertreibe ich es und fahre schwarz mit dem Bus. So langsam scheint die No-Buy-Challenge kriminelle Energien in mir freizusetzen. Was kommt als danach: ein Banküberfall? Ich überlege, meine Tiefgarage unterzuvermieten. Und wieviel ist eigentlich die handsignierte Schallplatte von Tocotronic wert? Weitere Ka-Ching-Momente: Wenn mein Schwiegervater mir seine ausgelesene "Zeit" mitbringt oder ich sämtliche Stempelkarten aus allen möglichen Handtaschen zusammenkratze und mir doch noch einen Cappuccino aus der Kaffeerösterei meines Herzens holen kann. Einen angedachten Kurztrip über Ostern streiche ich. Wer braucht schon Sylt, wenn die Eltern in Cuxhaven wohnen? – Schon verrückt, wie schnell man von einem Extrem ins andere gerät: Eben noch Konsumopfer, jetzt passionierte Minimalistin. 

Mit PMS geht kein Konsum-Fasten mehr

Dann – der Rückschlag, an einem Montag mit schlimmem PMS. Abends bestelle ich, nervlich am Ende, vietnamesisches Essen, zwei Bikinis und einen Blockbuster bei Prime Video. Sorry, not sorry. UndGeiz ist sowieso nie geil. 

Sicherlich ist es eine Frage der Bubble, von welchen Dingen man denkt, sie unbedingt besitzen oder erlebt haben zu müssen. Brauche ich diese It-Bag? Das Designersofa? Den Bali-Trip? Kaufe ich all das, weil ich es wirklich brauche oder aus Langeweile, um mich zu trösten oder eine innere Leere zu füllen? Das Problem: Je mehr Geld man zur Verfügung hat, desto mehr gibt man häufig auch aus, weil gewisse Annehmlichkeiten schnell zur Selbstverständlichkeit werden.

Ich bin entspannter und habe mehr Zeit 

Trotzdem: Mein Konsumverhalten hat sich nach einer Woche bereits nachhaltig verändert. Es fühlt sich gut an und macht sogar gewissermaßen süchtig, jede Kaufentscheidung zu hinterfragen. Denn in den meisten Fällen stellt man fest: Nö, brauch ich nicht. So schildern es auch die zahlreichen – vor allem weiblichen – Menschen in den sozialen Netzwerken, die unter dem Hashtag #nobuy ihre Erfahrungen teilen. Viele fühlen sich eingeengt, getrieben oder belastet durch die Masse an Dingen um sie herum. Was mich angeht: Ich merke, dass ich entspannter bin und plötzlich mehr Zeit habe, weil ich seltener in Schlangen vor Kassen in überfüllten Einkaufszentren verbringe, oder vor dem Smartphone, meinen digitalen Warenkorb füllend. Also mache ich einfach weiter mit softem Konsum-Fasten. Nur bei Kaffee möchte ich keine Kompromisse mehr eingehen.