Neue Studie: Kann ChatGPT Paartherapie?

KI statt Couch: In einer Studie konnten Laien kaum unterscheiden, ob eine Therapie von einer realen Person oder aber einem Chatbot durchgeführt wird. Was bedeutet das für Hilfesuchende?

Feb 20, 2025 - 18:34
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Neue Studie: Kann ChatGPT Paartherapie?

KI statt Couch: In einer Studie konnten Laien kaum unterscheiden, ob eine Therapie von einer realen Person oder aber einem Chatbot durchgeführt wird. Was bedeutet das für Hilfesuchende?

In der Vergangenheit wurden bereits verschiedene Angebote entwickelt, Psychotherapie durch digitale Anwendungen zu ergänzen – auch um den steigenden Bedarf besser abzudecken. Ein Forschungsteam aus den USA hat nun untersucht, ob künstliche Intelligenz dem menschlichen Kontakt sogar überlegen sein könnte.

Im Versuch zeigt sich die KI als überlegen

Für ihre Studie simulierte ein US-amerikanisches Forschungsteam von der University of Georgia insgesamt 18 Paartherapiegespräche. Dann wurden ein Dutzend Therapeutinnen und Therapeuten sowie Chat GPT aufgefordert, dazu Antworten zu verfassen. 830 Studienteilnehmende haben diese Antworten im Anschluss bewertet.

Dafür sollten sie im ersten Schritt einschätzen, ob die Antworten von einem Psychotherapeuten geschrieben wurde oder aber von dem Chatbot, der vorgibt, ein Psychotherapeut zu sein. Bei diesem sogenannten "Turing Test" konnten die Teilnehmenden kaum feststellen, ob Mensch oder Maschine die Verfasser waren. Das Sprachmuster empfanden sie als nahezu gleich.

Die zweite Aufgabe bestand darin, allgemeine Wirkfaktoren der Psychotherapie (Key Therapy Principles) in den Antworten zu bewerten, nämlich Empathie, Therapeutische Allianz, Erwartungen, kulturelle Kompetenz und Therapieeffekte. In dieser Hinsicht wurden die ChatGPT-Antworten sogar besser bewertet, was eine maschinelle Analyse bestätigte. Der Chatbot drückte weniger negative und mehr positive Gefühle aus und die Antworten waren länger.

Aufgrund der Ergebnisse halten die Autor:innen der Studie die KI daher für geeignet, das Angebot von Psychotherapie verbessern zu können. Was sagen unabhängige Expertinnen und Experten dazu?

Die Fachwelt ist noch skeptisch

"Für Personen, die Hemmungen haben, sich in Psychotherapie zu begeben – etwa auf Grund des Stigmas für psychische Erkrankungen, oder wegen schambesetzter Themen –, kann es entlastend sein, mit einer nicht-bewertenden Maschine anonym in Kontakt zu treten", erklärt Prof. Dr. Johanna Löchner, Professorin für Klinische Psychologie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. 

Die Large Language Models (LLM) seinen heute qualitativ so gut, dass es sie nicht verwunderte, dass die Versuchspersonen Expert:innen von Bot nicht unterscheiden konnten. Ihrer Meinung nach ist die Anzahl der Therapeut:innen in der Studie jedoch sehr klein und die Gruppe auch zu heterogen. Zur Bewertung der Wirksamkeitsfaktoren der Psychotherapie gibt Prof. Löchner zu Bedenken: "Allerdings wird 'Erfolg' der Therapie damit nicht gemessen, dafür fehlt ein Therapie-Outcome, wie zum Beispiel eine Verbesserung der Paarqualität."

Auch Prof. Dr. Markus Langer, Leiter der Abteilung Arbeits- und Organisationspsychologie am Institut für Psychologie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, hat Vorbehalte: "Zwar betonen auch die Autor:innen der Studie einige der Schwächen ihrer Studie, dennoch werden dann recht starke Schlussfolgerungen hinsichtlich der möglichen Effektivität von KI in der Psychotherapie gezogen. Diese Studie kann dazu eigentlich keine Aussage treffen, da die Effektivität von KI für Psychotherapie nicht untersucht wurde." Die Frage, ob Personen erkennen könnten, ob ein Mensch oder ein Chatbot die Therapie durchführt, käme im realen Setting nicht vor, weil sie "laut KI-Verordnung der EU informiert werden müssen, ob sie mit einem Menschen oder einer KI reden."

Paartherapie ist keine Psychotherapie

Auf einen weiteren wichtigen Punkt weist Dr. Lasse Sander, Leiter des Bereiches Medizinische Soziologie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, hin: "Paartherapie ist keine Psychotherapie. Psychotherapie hat zum Ziel, Symptome einer psychischen Erkrankung zu reduzieren. Darüber sagt die Studie wirklich gar nichts aus." 

Grundsätzlich betont der psychologische Psychotherapeut jedoch das Potenzial der digitalen Psychotherapie: "Ein Chatbot hat enorme Vorteile: Er ist sehr ressourcensparend, 24/7 verfügbar und man kann sich verhältnismäßig anonym an ihn wenden, was für Personen mit einem hohen Stigma-Erleben von Vorteil ist. Viele Menschen mit psychischen Belastungen suchen selbst dann keine psychotherapeutische Praxis auf, wenn diese kostenlos verfügbar ist." Zur besseren Versorgung könne der Einsatz von Sprachprogrammen möglicherweise einen wichtigen Baustein liefern.

Vor allem im Bereich der Paartherapie, wo es in erster Linie um Kommunikationsprobleme geht und weniger um psychische Erkrankungen, könnte damit also durchaus ein Anfang gemacht werden.